Bei allem, was Recht ist …

UHUDLA Gespräch mit Mag. Josef Philip Bischof und Mag. Andreas Lepschi  

Mag.Bischof, Mag. Lepschi (von l. nach r:) Foto:Lohmeyer
Mag.Bischof, Mag. Lepschi (von l. nach r.) Foto:Lohmeyer

Wir leben in einem Rechtsstaat ■ Die Rechtsstaatlichkeit ist fundamentiert im ABGB (im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch); vor dem Gesetz sind alle BürgerInnen gleichgestellt. Ständig werden Gesetze novelliert, nicht mehr zeitgemäße fallen weg, werden durch moderne, dem heutigen Gesellschaftsleben angepasste, ersetzt.

Walter Lohmeyer hat das Gespräch geführt und die Bilder fotografiert  (erschienen in der UHUDLA Ausgabe 100/2014)

Wie sieht das nun in der Praxis aus. Zwei renommierte Wiener Rechtsanwälte, Mag. Bischof und Mag. Lepschi standen in einem Gespräch dem UHUDLA Rede und Antwort, zu Fragen, die gerade in einer Ära der Globalisierung aktueller denn je sind:

Wie definieren Sie die Begriffe „Recht“ und „Rechtsstaatlichkeit“
Mag. Bischof: „Bei allem, was Recht ist. Über diese Begriffe kann man stundenlang diskutieren und philosophieren. Ganz wesentlich für Recht/Rechtstaatlichkeit ist einmal Verständlichkeit. Ein Gesetz muss auch ohne qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung und ohne gewisse Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben verständlich sein. Rechtsstaatlichkeit funktioniert nur, wenn Recht auch umgesetzt und gelebt wird. Versammlungsfreiheit/Meinungsäußerungsfreiheit müssen  gelebt werden.“

Sind Personen, die eines Vergehens, Verbrechens vom Staat angeklagt werden, deren Mittel aber nicht ausreichend genug sind, von Haus aus benachteiligter als jene, deren finanzielle Ressourcen so gesichert sind, ein Verfahren in die Länge zu ziehen, Einspruch zu erheben, eine Wiederaufnahme zu erwirken….. Ich meine jetzt nicht irgendwelche kleinkriminelle „Hühnerdieb-Tatbegehungen“, wo die Bestrafung, das Urteil, auf der Hand liegt, sondern komplexe Fälle?  Wie gleich sind Menschen vor dem Gesetz
Mag. Bischof: Im Strafverfahren müssen Beschuldigte bei schwerwiegenderen Vorwürfen zum Beispiel im Schöffen- und Geschworenenverfahren sowie bei Untersuchungshaft durch einen Verteidiger vertreten sein. Ohne entsprechende finanzielle Mittel gibt es einen kostenlosen Verfahrenshelfer, allerdings häufig erst verspätet; alle Betroffenen sollten schon bei der ersten Vernehmung anwaltliche Hilfe erhalten. So wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen hat man auch im Strafverfahren mit Geld mehr Möglichkeiten.
Für mich als Anwalt ist es Herausforderung und Berufung sich für Gleichheit und Menschenrechte einzusetzen.

Formal gesehen sind Menschen gleich vor dem Gesetz, aber praktisch gesehen scheinen manche Menschen gleicher zu sein

Österreich ist in der Europäischen Union. Wir leben in einer globalisierten Welt. Alle Menschen können alles erreichen. Nur die wenigsten schaffen es aber wirklich. Durch diesen Umstand werden Menschen getrieben, ihre Heimat zu verlassen, um in „reichen“ Ländern Arbeit zu finden. Da es aber in dem vermeintlich wohlhabenden Land, immer weniger Arbeit gibt wie z.B. Einsparungen allerorts, laufen diese Menschen nicht Gefahr als „moderne“ Sklaven gehandelt zu werden? Laufen wir nicht Gefahr durch eine solche, nennen wir es, „Finanzdiktatur“ gerade das Gegenteil zu bewirken, nämlich aus dem ursächlichen Gedanken „Vereintes Europa“ eine Union der in Klassen eingeteilten Länder zu werden wie erfüllst du die Umsatzquote bist du ok, erfüllst du deine Sparziele steigst du auf in dieser Hierarchie, wenn nicht Good Bye. Kurzum: Werden die Bürger­Innen nicht missbraucht von einem derart einseitig orientiertem System?
Mag. Lepschi: Die EU  ist für mich eine Chance möglichst lange ohne Krieg auszukommen. Überfordern darf man die EU allerdings nicht. Ein Schlüssel wird sein, wie die EU mit den ethnischen Minderheiten, insbesondere den Roma, umgeht.

Oktober 2013. Die tragischen Ereignisse in Lampedusa (Italien, afrikanische Flüchtlinge ertrinken im Mittelmeer, darunter zahlreiche Kinder – sie alle wollten nach dem „Gesegneten Europa“, um aus ihrer Armut zu entfliehen) drängt sich unweigerlich die Frage auf: Wie soll Europa mit dieser Form von „Einwanderung“ umgehen, wie verhält sich Österreich mit dieser Art von Sozialtourismus? Gibt es gesetzliche Richtlinien, dies zu unterbinden, zu ahnden, zu verfolgen
Mag. Lepschi: Da muss ich mich auslassen. Für diese Wahnsinnstragödien gibt es keine Lösung, so ehrlich muss man sein. Betroffen macht mich aber, dass die EU und die Herkunftsländer Schwarzer Peter spielen  und Verantwortung hin und her schieben. Hier ist der aktuelle EU Pragmatismus grauslich. Ein paar Rettungsboote mehr, das 100 fache für Grenzsicherung, ein bisschen was für die Herkunftsländer und geplagte Grenzstaaten; regelmäßig salutiert dann EU-Präsident Barroso  vor den Opfern in einer Leichenhalle.
Wir müssen mutig sein! Das heißt alle Bootsflüchtlinge aufnehmen und auf alle EU Staaten aber auch andere sichere Staaten  verteilen. Ich weiß, dass das großen Druck auf die nationale Bevölkerung erzeugt. Daraus entstehen aber eher Verbesserungen, als durch falschen Pragmatismus.
Stichwort Verbesserungen: Asyl nicht nur den Innenministern überlassen, sondern Arbeits,- Kultur,- Entwicklungshilfeminister  einbinden. Nationale und EU-Gesetze entrümpeln z.B die komplizierte Zuständigkeitsregelung, genannt Dublin Verordnung.

Jahrelang werden Asylsuchende kreuz und quer durch Europa geschickt, ohne ernsthaft die Beweggründe, die sie zu ihrer Flucht veranlassen, zu überprüfen

Das ist nichts als eine Schwarzer Peter Spielanleitung. Die potentiellen Flüchtlinge müssen in den Herkunftsregionen besser über die Realität in der EU informiert werden, und, und, und…
Natürlich bin ich auch Realist. Das heißt: Abschiebungen und wirkliche Härtefälle sind in der Migration unumgänglich.

Das Verhalten der Gesellschaft  hat sich verändert. Um es einfach zu beschreiben: das Klima ist „rauer“ geworden. Die, der Einzelne neigt zur Ausgrenzung, zu Präjudiz, zur Diskriminierung. Welche Tipps, Ratschläge geben zwei renommierte Anwälte, wie Sie es sind, der Bevölkerung, um ein besseres Miteinander zu gewährleisten, zu fördern und zu manifestieren  
Mag. Bischof: Der einfachste und sicherste Weg ist es, bei sich selbst zu beginnen und sich selbst und sein Verhalten im Auge zu behalten; wenn man dabei auch noch die Anderen nicht aus dem Auge verliert, ist schon viel gewonnen. Die Theorie des kommunikativen Handelns, das Ziel eines herrschaftsfreien Diskurses nach Habermas, dürfte doch kein alter Hut sein.
Mag. Lepschi: Ich fühl mich an dieser Stelle nicht berufen, gute Ratschläge zu erteilen. „Liebe deinen Nächsten”, hat einer im letzten Nationalratswahlkampf im September 2013 plakatiert. Ich vertraue diesbezüglich lieber dem ursprünglichen Erfinder dieser Wortspende.

Wollen wir mit einer philosophisch anmutenden Frage unser Gespräch ausklingen lassen: Was wäre Ihrer beider Wunschbild, von einem gesundem, modernen, nach allen Seiten hin gut funktionierendem Rechtsstaat? Wie müsste er aussehen und welche Richtlinien, Institutionen sind hierfür erforderlich
Mag. Bischof: Ich denke mir, dass wir mit unserem Staatssystem grundsätzlich keinesfalls unzufrieden sein sollten, wenngleich es in vielen Bereichen Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Letztlich ist meines Erachtens die entscheidende Frage, wie der Rechtsstaat in der Praxis funktioniert, wie mit Menschenrechten in der konkreten Situation umgegangen wird.

Ganz nach Nelson Mandela ist mein Ideal eine freie und demokratische Gesellschaft, in der alle in Harmonie mit gleichen Chancen leben

Mag. Lepschi: Utopia würde er jedenfalls heißen. Sage mir wie du mit dem Strafrecht, dem Sozialrecht, dem Ausländerrecht umgehst und ich sage dir, was du für ein Staat bist.

Zitate;
„Wenn du im Recht bist, kannst du dir leisten, die Ruhe zu bewahren; und wenn du im Unrecht bist, kannst du dir nicht leisten, sie zu verlieren.“ (Mahatma Gandhi).
Vielleicht sollten es die Menschen lernen, ihre Eigenverantwortung intelligent einzusetzen und es sich zur Aufgabe stellen, zu gegebener Zeit, klug und umsichtig zu handeln.
Denn: „Oft tut auch der Unrecht, der nichts tut. Wer das Unrecht nicht verbietet, wenn er kann, der befiehlt es“ (Marcus Aurelius).

Mag. Josef Philip Bischof
Jahrgang 1968, aufgewachsen im Lungau/Salzburg, Jus Studium in Wien. Seit mehr als fünfzehn Jahren als Strafverteidiger tätig. Gründungs- und Vorstandsmitglied der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen; Generalsekretär des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie in Wien.

Mag. Andreas Lepschi
Jahrgang 1970, aufgewachsen in Linz; Jus Studium in Linz und Oslo mit Schwerpunkt Asyl -Menschenrechte. Arbeit als Obdachlosenbetreuer in Linz und Flüchtlingsberater in Traiskirchen; Anwaltsausbildung in Wien, nach der Anwaltsprüfung fünf Jahre Asylexperte bei Caritas Österreich, von 2005 – 2010 Menschenrechtsreferent  im Grünen Parlamentsklub, seit 2010 als selbst- ständiger Rechtsanwalt in Wien tätig.

Kommentar verfassen