Gerechtigkeit ist mein Traum

Gerhard Ruiss. Foto Lohmeyer
Gerhard Ruiss. Foto Lohmeyer

Kämpfer für das Urheberrecht ■ Gespräch mit Professor Gerhard Ruiss. Wir treffen einander im Café Europa, der Professor und ich. Gerhard Ruiss kommt gerade von den Vorbereitungen für das Fest für den Rundfunk. „Das Rundfunkhaus muss bleiben“.
Gerhard Ruiss beginnt zu erzählen, zu erzählen, wie er dazu kam, als Fürsprecher für KünstlerInnen zu agieren, als Fürsprecher für die Kunst und gegen die Vereinnahmung – der Literaten, der Musiker, all den Freischaffenden – durch multinationale Konzerne einzutreten, für sie als Bollwerk aufzutreten und für sie zu kämpfen. Mit allen legalen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen.
Erschienen in der UHUDLA Ausgabe 101/2014


„Schon als Hauptschüler war ich lesehungrig, ja besessen von Literatur, bildete mich weiter wo und wie es nur ging. Als gelernter Schriftsetzer und Offsetdrucker eignete ich mir auch eine substanzielle Nähe zum Buch, zum Geschriebenen an. Das Buch Begreifen und Riechen, den Inhalt begreifen und verstehen.
Damit verbunden suchte ich die Nähe zu Autorinnen und Autoren, trat gewissermaßen in die Welt der Intellektuellen ein, war ihnen im abstrakten Denken sicherlich unterlegen; zugleich aber auch verwundert, mit welch Selbstverständlichkeit sie es zuließen, ihre Arbeiten, ihre Werke geringschätzig vermarktet zu sehen. Für mich, meiner Einstellung zur künstlerischen Tätigkeit, nein besser zur Anerkennung der Arbeitskraft im Allgemeinen als höchstes Gut, ein unvorstellbarer Zustand.
Über Qualität, über Inhalte, über Ansichten, darüber kann, soll, ja muss man reden. Aber niemand hat das Recht zu sagen: Das ist nichts. Das ist nicht nur respektlos vor der Tätigkeit als solches, sondern eine Missachtung der Person, die sie ausübt. So trat ich damals den IG Autoren, heute, IG Autorinnen Autoren bei.“

Professor Ruiss, der Streitbare

1979 übernimmt Gerhard Ruiss die Geschäftsführung, 1982 wird er zum Leiter der Interessensgemeinschaft Autorinnen Autoren. Und beginnt seinen Kampf  für das Urheberrecht, für KünstlerInnen, gegen  die Allmacht von Sony, Apple, Samsung und Co mit einem Paukenschlag. Er und seine MitstreiterInnen erreichen 1980 die Leerkassettenregelung, eine Abgabe, quasi als Nutzungsrecht, die zweckgebunden den Sozial- und Förderkassen für KünstlerInnen zugute kommt.
„Schauspieler, Regisseur, Chansonnier, Sänger, Interpret, Buchautor und vor allem das Gedichteschreiben, das ist meine Passion.“ Für die Nachdichtung  von Oswald  von Wolkensteins (letzter Minnesänger, Dichter, Komponist und Politiker mit internationalem Charakter  im Spätmittelalter 1376/78–1445): „Und wenn ich nun noch länger schwieg“ erhält Gerhard Ruiss 2012 den Professorentitel verliehen.
Im selben Atemzug weist er den Internetgiganten „Google“ in die Schranken. „So geht’s ja wirklich nicht. Die wollten doch tatsächlich alle Bücher, Publikationen, geistiges Gut digitalisieren, ohne Wahrung der Urheberrechte, ohne Absprache mit Autor­Innen, einfach so.“ Da sind die „Googleianer“ an den Falschen geraten. „Wir prozessierten und gewannen. Für uns ein großer Erfolg, ein beispielhafter Sieg zur Wahrung der Rechte der KünstlerInnen, eine Bestätigung zur Wertschätzung des geistigen Gutes.
Man wirft mir ja oft vor, ich wäre ein Gegner von Internet, den digitalen Errungenschaften, der Multimedia-Welt. Unsinn. Das ist nicht mehr wegzudenken. Ist auch gut so. Ich bin ja kein Maschinenstürmer. Das Radio hat nicht die Zeitung, das Fernsehen nicht das Radio, das Internet nicht das Fernsehen verdrängt.
Es war nur eine logische Folge, dass E-Books, digitalisierte Musik und Film folgen würden. Diese Medien sind noch relativ jung, daher auch interessant.  Wem schnelle Informationen, „Breaking News“ fürs erste reichen, untermalt von Reklame Popups, in Ordnung. Wer Hintergründe erfahren will, den Dingen auf den Grund gehen möchte, greift zum Printmedium. Obwohl die Tageszeitungen ein echtes Problem haben.
Denn sie wollen gleichermaßen ein hochwertiges Onlinemedium gestalten. De facto 1:1 zum Gedruckten. Da müssen sie sich etwas einfallen lassen, zurückrudern wird nimmer ganz gehen. Eine Herausforderung eben. Früher war Zeitung gleich Wahrheit.(was natürlich nicht stimmte).
Heute sind die Informationsquellen vielschichtiger und der Wahrheitsgehalt noch mehr zu hinterfragen. Bei den E-Books herrscht friedliche Koexistenz zum gedruckten Buch. Mitte der 70er hatte Österreich ca. 200 Privatverlage, heute sind es wesentlich mehr; das zeigt, dass solche Unternehmen  ökonomisch bestehen können.
In der Musikbranche verhält es sich ähnlich. Musikverlage produzieren zum Beispiel 1.000 Tonträger  pro Interpreten und gehen deshalb nicht unter. Ein nebeneinander Bestehen und -Agieren ist also möglich, wenn die internationalen Großkonzerne, die logischerweise prallgefüllte Kriegskassen, sprich WerbeEtats haben,  gegen jeden und gegen alles was sich ihnen in den Weg stellt, eine ganze Armada losschicken. Na ja, so geht’s halt auch nicht.

Globalisierungsschmäh ist verbraucht

Dagegen muss man etwas unternehmen.  Denn der Schmäh mit der Globalisierung, der ist schon lange verbraucht, den glaubt keiner mehr. Es dreht sich um gigantische Konzerne, die nichts auslassen wollen um ihre Profite zu erhöhen. Koste es, was es wolle. Unsere Forderung nach einer Festplattenabgabe haben die Multis wie Sony, Samsung logischerweise auf die Palme gebracht. Und sie drehten den Spieß einfach um, stellten sich selbst als die Geprügelten hin, sie müssten die Festplattenpreise erhöhen.
So ein Blödsinn. Diese Abgabe ist gleichzusetzen  mit der Leerkassetten-Geschichte, kommt den Künstlerinnen und Künstlern zugute und aus basta. Bei den Summen, die die abcashen, ist das nicht einmal ein Trinkgeld. Noch ist nichts entschieden, das Thema nicht vom Tisch. Ich vertrete die Anschauung, erst wenn wirklich die letzte Möglichkeit ausgeschöpft, keine Option mehr gegeben ist, dann kann man eine Sache ad acta legen.
Es gilt aber darüber hinaus einiges zu tun. Die Künstlersozialversicherung (leistungs-)gerecht gestalten, das Urheberrecht optimieren und natürlich meine Gedichte, meine Texte, meine Publikationen.“
„Woher nimmst Du soviel Energie, Kraft, Ausdauer?“  „Meine Frau Ulrike, meine Kinder, das Leben selbst geben sie mir. Zwischen Ulli und mir herrscht absolute Ambivalenz, wir stehen im permanenten Dialog, sie bestärkt mich in meinem unumstößlichen Willen für Gerechtigkeit und Freiheit. Sie gibt mir auch die innere Stabilität, die ich brauche, um alles durchzuziehen.“

Grosse Freude mit der Arbeit

„Wie verhält sich die Personifikation von „Kunst hat Recht“ in Bezug auf Preisverleihungen, auf Ehrungen. Sind sie Bestätigung zur Person oder Bestätigung für Dein Handeln, Deine Arbeit?“
„Beides. Die jüngste Auszeichnung war sicherlich die signifikanteste. Die höchste Auszeichnung des österreichischen Buchhandels und des Verlagswesens für mein Lebenswerk (siehe Foto oben). Obwohl wir in all den Jahren einander Gefechte geliefert haben – wir haben einander nichts geschenkt – trotzdem sind wir einander, ohne standespolitischen Dünkel, immer respektvoll begegnet, nie unter der Gürtellinie, haben stets ein integres Verhalten an den Tag gelegt. So etwas berührt, freut und bestätigt dich, deine Arbeit, dein ganzes Sein.“
„Hast Du eigentlich Ideale?“ „Ideale, naja Ideale hat eigentlich jeder. Ein Mensch der das integre Leben personifiziert. Geradlinig, offenherzig, ehrlich, nicht käuflich. Martin Luther King, Mahatma Gandhi, auch Nelson Mandela; insbesondere aber Martin Luther King, der mit seiner charismatischen Erscheinung, seiner Geradlinigkeit und seiner Unbeirrbarkeit, seine Ideale verkörperte,  sie den Menschen nahe brachte und dafür sein Leben gab. I Have a Dream – ein Leben in Frieden, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit.“

Text und Fotos: Walter Lohmeyer

Gerhard Ruiss,

der Autor und Musiker wurde am 29. Mai 1951
in Ziersdorf geboren.
1965-1969 Berufsschule für Graphisches Gewerbe in Wien. Nach Abschluss der Lehre als Schriftsetzer in der Österreichischen Staatsdruckerei absolvierte er zwei Semester am Gymnasium für Berufstätige.
Seit 1979 ist er Vorstandsmitglied der IG Autor­Innen. 1978 übernahm er den Posten des
Geschäftsführers. Von 1987 bis zu seinem Austritt 1989 war er Vizepräsident der Grazer Autorenversammlung. 1998 wurde er Mitglied der österreichischen UNESCO-Kommission. Zudem ist er Gründungsmitglied des Unabhängigen Literaturhauses Niederösterreich.
Von 1984 bis 1995 unterrichtete er als Lehrbeauftragter an verschiedenen Instituten der Universitäten Salzburg, Innsbruck und Wien.
Seit 2002 am Institut für Germanistik in Innsbruck und an der Uni für Musik und Darstellende Kunst in Wien in der Kulturmanagement-Ausbildung aktiv.

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