Abgesang auf den Bundesbahn Blues

Bahnkarte

Die ÖBB sind zum Vergessen ■ Ein 10.000 Kilometer langer Reisebericht in dreieinhalb Teilen:

Von Martin Wachter

Teil I:
Würde „Quasi” Qualtinger noch leben, dann könnte er sich einen Reim von Tick Tack Toe ausborgen, falls er die Bundesbahn nocheinmal mit einer Hymne würdigen täte. „Die Bahn ist Scheisse, so richtig Scheisse. Ab geht die Fahrt. Einmal Wien West Lissabon/Santa Apolólia.
Erschienen in der UHUDLA Ausgabe  80/2006   

Österreich ist den EU Vorsitz wieder los. Kanzler Schüssel und Infrastrukturminister Gorbach können sich wieder in den Niederungen der alpenländischen Schmalspurpolitik bewegen. Ein Ziel der EU-Präsidentschaft ist es, dass die europäischen Verkehrswege auf der Straße, aber vorallem auf der Schiene zukunftsweisend vorangebracht und modern gestaltet werden, liess der Bundes­wolfi verlauten, als er noch der Herrscher über EU-Europa war.
Der gsi-bergische Westentaschennapoleon und 160 Stundenkilometerfetischist ließ sich in Eroberungspose vor einer neuen  Siemens-Lokomotive ablichten und schwafelte davon, dass Österreich mehr Power für Europa liefert. Und die Gittl Ederer Tante von Siemens und die Vertreter vom Europa der Konzerne reiben sich die Hände. Nun Herr Gorbach wird hoffentlich bald eine Fahrt hintern Arlberg ohne Wiederkehr antreten.

Nach Lissabon wolln’S – des geht net und a Auskunfts-Büro san ma sowieso kans

Wien Südbahnhof Reisezentrum der ÖBB am Arsch der Welt, auch Reisebüro am Bahnhof genannt. „Ich würde gerne wissen wie viel eine Fahrt von Wien über Paris nach Lissabon kostet”, lautet die Frage. Der noch ÖBB-Pragmatisierte Mitte 50er nimmt sofort Kampfhaltung ein. Einen Fahrgast will er vor seinem wohlverdienten Ruhestand noch das Fürchten lehren.
„Noch Lissabon kennans mit uns net foan und fia a Auskunftt san ma net zusändig, do gengans za da Zugauskunft” mault der sichtlich arbeitsunwillige Nochstaatsdiener. Aber so schnell lässt sich ein Bundesbahn-Vielfahrer und seit je her ÖBB-Card-Benützer und aus Umweltgründen nicht-gerne-Billigflieger nicht abwimmeln.
„Ist Lissabon ein Kuhdorf oder eine europäische Hauptstadt und liegen auf dem Weg dorthin etwa keine Gleise, also könnten sie mir vielleicht doch sagen wieviel das ungefähr kosten würde”, mault der inzwischen ebenfalls missgelaunte Fahrgast zu­rück.
„Also wissens, i loss mi von ena net pflanzn, wenn i sog, i gib ena ka Auskunft, dann kriegns a kane und jetzt verlassens mein Büro, sonst ruf i die Polizei”, kontert der zu allem entschlossene Bundesbahner. Gegen Dummheit, Faulheit und Ignoranz ist kein Kraut gewachsen.
Via Internet: Zugverbindungen, Abfahrzszeiten und Zugnummern ausgedruckt, besucht erwähnter Fahrgast Ende Oktober das Reisebüro der ÖBB in Meidling Philadelphia­brücke. Diesesmal schon mit dem abgespeckten Wunsch wenigstens bis in die erste Stadt in Spanien zu gelangen.
„Ich möchte mir ein Billigticket nach Paris erheischen. Wunsch zwischen 3. Jänner bis 10. Jänner”, ein erneuter Versuch via Bahn halb Europa zu queren. „Ja am 10. Jänner hätten wir was frei kostet im Liegewagen 39 Euro”, frohlockt der Reisebüromann. „Bingo”,  antwortet der Fahrgast und fragt nach einer Fahrkarte von Paris-Montparnasse nach Irun/spanischen Grenzstadt. „Geht nicht wir können keine Fahrkarten nach Spanien verkaufen, sondern nur bis Hendy der letzten französischen Stadt”, antwortet der Eisenbahner. “Und überhaupt kommens nach den 15. Dezember wieder, da kann ich ihnen eine Karte ausstellen, denn vorher gehts nicht, ist Fahrplanwechsel.”

Noch einmal an den Noch- Minister: „Die Bahn ist  Scheisse, so richtig scheisse”

  1. Dezember selbes Reisebüro selbe Station. Der Fahrgast hat sich für 12. Jänner nachmittags eine Zugverbindung von Paris nach Irun aus dem Internetz geholt. „Na für den Zug bekommans bei uns kan Fohschein, des is a deschewe. (TGV ist ein französischer Hochgeschwindigkeitszug)
    Achselzuckend verlässt der Fahrgast wiedereinmal den Hort bundesbahnmäßiger Inkompetenz. Seine Bekannte von der Western Union Bank auf der Philadelphiabrücke empfiehlt ihm beim Verkehrsbüro in der Meidlingger Hauptstraße vorbeizuschaun. Dort geht er aufs Ganze und verlangt für den TGV von Paris bis nach Irun ein Ticket.
    „Wenns die Karte gleich wollen, fahrens in die Zentrale in der Friedrichstraße. Ansonsten gebns uns ihre Mobiltelefonnummer, wenns wolln, dann rufen wir sie an, sobald das Ticket bei uns ist. Es koster 84 Euro und leider müssens 5 Euro für die Vermittlung zahlen”, erklärt die junge Reisebüroangestellte.
    Am nächsten Tag gibt es die Fahrkahrte. Unerklärlicher weise kostet sie jetzt nur 75 Euro. Nun liebe LeserInnen aufgepaßt. Von wem wurde die Fhrkarte ausgegeben. Genau, es ist eine original ÖBBlerische wie sie an jedem Bahnhof ausgegeben wird. Nocheinmal an den Noch-Minister mit seiner 12 Kilometer Autobahn­raserstrecke: „Die Bahn ist Scheisse, so richtig scheisse”.
    Abfahrt, 10. Jänner Wien Westbahnhof. Sechs in Worten sechs Fahrgäste teilen sich ein Sechser-Abteil in einem Liegewagen. Alles sind Billigticket-InhaberInnen. Der Rest des Waggons ist leer, alle Abteile fest verrammelt. Der Nachtwagenschaffner wurde nur einmal gesichtet. Hat die Fahrkarten und die Pässe genommen und ward nicht mehr gesehen. Vorher hat er quasi eine Suggestivfrage, ob eh niemand einen Kaffee am Morgen wolle, gestellt. Das nennt man „Zug um Zug” Imagewerbung, liebes hochbezahltes ÖBB Managment!
    Paris, Montparnasse 12. Jänner 2006: Neues futuristisches Prunkstück moderner Baukunst, der Bahnhof. Ein Reisezentrum mit Fahrkartenschaltern in den ausgeschilderten und beflaggten Schaltern in francais, espagniol, anglais. Die Schlange kurz, die Wartezeit kaum nennenswert und ruckzuck eine Karte von Irun nach Lisaboa/Santa Apolónia erstanden. Kosten 96 Euro. Die Nebenfrage: wieviel ein Ticket mit dem TGV von Paris nach Irun hier kostet, wurde mit 84 Euro beantwortet. Einen herzlichen Dank an das Verkehrsbüro!

Die Weichen im Personen- Fernverkehr sind in Richtung „Totes Gleis” gestellt.

Irun, 12. Jänner 23 Uhr Espania. Im portugiesischen Liegewagen sind zwölf Fahrgäste anwesend. Wieder nur zwei Abteile geöffnet und alle reingepfercht. Ein junge Französin mit einjährigen Baby will eine Liegewagenpritsche, hat aber kein Ticket dafür. Pech gehabt, der Schaffner kennt keine Gnade. Beschrieberner Fahrgast hat wieder Probleme dieses Mal mit dem portugiesischen Staatsdiener, weil er für die Frau mit dem Baby eine Fürbitte einlegen will. In seinem Abteil ein Paar aus Armenien. Er ist Agraringeneur und arbeitet in einer Großmolkerei im nordportugiesischen Porto. Er hat Flugangst und fährt von Jerewan bis nach Portugal für sage und schreibe 800 US Dollar die einfache Strecke. Das Eisenbahnfahren wir von Jahr zu Jahr teurer, meint er. Ausserdem wollen die Eisenbahngesellschaften gar keine Personen befördern, denn das Service und die Trangsalierereien werden für die Fahrgäste immer schlimmer ,meint er. Ja, dem ist nichts hinzuzufügen.
Lisboa/Santa Apolónia Endstation 13. Jänner Mittag: In einem versteckten Winkel des Bahnhofs befindet sich das Kundensrvice. Der Angestellte ist nett höflich und zuvorkommend. In 20 Minuten hat er Zugfahrpläne und Preise via Internet zusammengetragen und ausgedruckt. Lisboa nach Madrid: 55,50 Euro; von Madrid nach Barcelona: 60,50 Euro,  Rückfahrkartenermäßigung 25 Prozent; von Bacelona nach Milano: ca.130 Euro. Der Tipp die Fahrkarte von Barcelona nach Mailand in Spanien zu erwerben, weil billiger, gab es gratis als Draufgabe.
Ja liebe Teilnehmer an der „Geschützten Werkstätte” ÖBB! So einfach kann Kundenbetreuung sein. Aber wahrscheinlich will das sowieso niemand, denn die Weichen im europäischen-Personen-Fernverkehr sind schon längst in Richtung „Totes Gleis” gestellt.

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