Mit den Hungerleidern on the road again

Buslenker sind Autowäscher Häusl­räumer (Bus WC), Kaffeekocher für Fahrgäste und vieles mehr. © Martin Wachter

Das harte Brot der Busfahrer ■ Fernreisen mit dem Bus ist was für Hungerleider, Werktätige und Tagelöhner, die der Arbeit nachfahren oder für »Verrückte«. Wien – Nice – Barcelona – Madrid – Lagos hin und zurück. Europa der kreuz und der quer .Ein 10.000 Kilometer langer Reisebericht in dreieinhalb Teilen: Teil III

Von Martin Wachter Veröffentlicht in der UHUDLA Ausgabe 82/2006

Die harte Arbeit eines Fernbusfahrers ist am besten mit einem Witz zu beschreiben: Vorm Petrus steht ein Priester und ein Autobuslenker. „Ab in die Hölle mit dir”, sagt der Himmelspförtner zum Priester. Den Busfahrer winkt er durch in Richtung Himmelreich. Der Priester protestiert.
„He Petrus, das ist ein Irr­tum. Ich kenn den Halodri. Der hat sich herumgetrieben, hat gesoffen und sich nicht um die Familie gekümmert und zweimal geheiratet hat er auch. Das kann’s nicht geben, dass der in den Himmel kommt”. „Doch, doch”, antwortet Petrus und begründet sein Urteil. „Wenn du lieber Gottesdiener eine Messe gehalten hast, war die Kirche fast leer. Aber wenn der Busfahrer mit dem Autobus unterwegs war, da haben immer alle Insassen gebetet”.
Wer den ganz normalen Wahnsinn auf den Autobahnen und den Straßen der Großstädte kennt, wird erahnen welch harte Arbeit ein Omnibuslenker verrichtet. An der nebenan beschriebenen mehr als 50 stündigen Fahrt quer durch Europa waren nur zwei Busse und vier Fahrer  beteiligt.
Gefahren sind aber den Großteil der Strecke nur zwei. Genauere Angaben über Fahrzeitüberschreitungen massenhafte Verstöße gegen Ge­schwindigkeitsbeschränkungen riskante Überhol- und Bremsmanöver werden an dieser Stelle nicht angeführt. Das könnte dem Profiautobuslenker zum Nachteil werden.

Nach getaner Schwerstarbeit zum Probeliegen in den „Sarg”

Ein Mangel der Luxusreisebusse sollte den LeserInnen nicht verheimlicht werden. Die Schlafkoje für den Co-Piloten hat weniger Komfort als ein Sarg und größer ist sie auch nicht. Darin sollte man nichteinmal einen Hund schlafen lassen.
Aber was kümmert die großen Reisebushersteller wie Scania, Mercedes oder MAN und die Reisebuskonzerne wie Eurolines und Intercars schon das Wohlbefinden ihrer Arbeiter. Neben dem Knochenjob und dem Wahnsinn auf den Autobahnen sind Buslenker auch noch Autowäscher Häusl­räumer (Bus WC), Kaffeekocher für Fahrgäste und vieles mehr.

Die Busse die Europa von Ostnord nach Westsüd verbinden sind meistens bis auf den letzten Platz besetzt. Den Menschen aus Polen, der Ukraine, den baltischen Republiken, aus Moldawien, Bulgarien und Rumä­nien fehlt meistens das Geld für den Flieger. Sie ziehen nach dem Westen um ihr Glück auf den Baustellen, den großen Obst und Gemüseplantagen und in der Gastronomie und Hote­lerie in Italien, Frankreich, Spanien und Portugal zu suchen.
Meistens müssen sie sich aber mit einem total unterbezahlten Job zufrieden geben. Für die jungen Mädchen endet die versprochene Arbeit im Gastgewerbe besonders in Spanien in der Prostitution. Oleg aus Kiew zum Beispiel ist Ingenieur. Seit zwei Jahren jobt er in Portugal auf dem Bau. Mit polnischen Papieren versteht sich. Denn in Spanien, Portugal und auch Frankreich gilt die Niederlassungsfreiheit für Werktätige aus EU Staaten.
Oleg, der Enddreißiger bekommt quasi als Polier an die fünf Euro für die Stunde. Nur sehr viele Stunden werden ihm überhaupt nicht bezahlt. Am portugiesischen Bau arbeiten fast nur Facharbeiter aus dem Osten und Norden Europas. Das Hilfspersonal sind Afrikaner, die aus den portugiesischen Kolonien Angola, Mozambique und Capo Verde in Europas Süden gekommen sind.

Baukonzerne und „Arbeitskräfte-Schlepper” machen die Kohle

Die portugiesischen Facharbeiter am Bau bevölkern wiederum die Baustellen in Deutschland, den Niederlanden und eben im Norden Europas. Sie werden mit falschen Versprechungen von „Arbeitskräfte-Schleppern” auf legalem Weg auf die Großbaustellen gelockt.
Sie müssen horrende Summen für die Schlepper, für die Fahrt und für Kost und Quartier hinblättern. Vielen Portugiesen, die im Ausland arbeiten, bleibt unterm Strich weniger als wenn sie zu Hause geblieben wären. Also müssen sie täglich zwölf Stunden und mehr arbeiten, und das sieben Tage die Woche, damit sich der Trip in die Fremde halbwegs lohnt. Die Ausbeutung der Werktätigen funktioniert in Europa bereits grenzenlos.
Die alten Grenzen im  Kopf haben aber zigtausende Zöllner und Grenzpolizisten. Sie sind durch den freien Warenverkehr und durch das Schengener Abkommen für Normalreisende und für Schwertransporte faktisch nicht mehr zuständig. Deshalb malträtieren sie die, die sich nicht wehren können.
Auf den mehr als 6 000 Kilometern Reise wurden unsere Reisebusse sechsmal von den Zöllnern „überfallen”. Dreimal in Frankreich, zweimal in Spanien und einmal in Portugal. Jedesmal dauerte die Razzia fast eine Stunde. Die spanische Guardia Civil weckt bei den Reisenden Nerven­kitzel und Abenteuerlust oder vielleicht auch Angst. Die bis an die Zähne bewaffneten Jungs versprühen noch immer den „Charme” der Generalissimo Franco Diktatur.
Ludmilla, Peter und Jana aus Litauen waren kreidebleich als sie kurz vor drei  Uhr in der Früh bei Barcelona  von den „Kontrollorganen” in die Mangel genommen wurden. Schließlich gaben sich die paramilitärischen Ordnungshüter doch damit zufrieden, daß die drei sehr Jugendlichen nur Freunde in Madrid besuchen wollen.
In Frankreich war bei den Razzien immer ein Drogen-Rolfi mit dabei. Zwei der vierbeinigen Rauschgift-Schnüffler verweigerten überhaupt die Arbeit. Bei Marseille wurde die Busdurchsuchung zu einem Hunde­abrichtekurs.  Dreimal wurde Kommissar Schnüffelnase ins Auto der Zöllner gezerrt. Dort durfte er sich eine Gratisprise Stoff durch die Nase ziehen.

Keine Ahnung vom Zigaretten einmaleins, oder nur Fadesse

Grotesk wurde es dann, als die größtenteils aus Polen stammenden Männer nach Tabak in Form von Zigarettenstangen gefilzt wurden. Der Bus war aber in Richtung Warschau unterwegs. Jedes Kind weiß, dass billige Zigaretten von Polen aus nach West gehen und nicht umgekehrt.
In Monaco verweigerte der Drogensuchhund auf vier Beinen überhaupt die Arbeit. Er hat sich lieber mit dem in Bus mitfahrenden UHUDLA-Reporter unterhalten, und ihm sein Hundeherz ausgeschüttet (Bericht Seite 8 und 9).
Die richtig armen Hunde sind aber die Busfahrer. Bei 100 Fahrstunden dauerten die Kontrollen der gelangweilten „Grenzorgane” in Summe fünf Stunden. Diese Zeit mußte irgendwie wettgemacht werden. Die Endziele wurden in beiden Fällen pünktlich erreicht.

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