Von diesem Job hab ich die Schnauze voll

Grafik: Hans Auer
Grafik: Hans Auer

Jacques von Baskerville ■ Der Drogenhund von Monte Carlo erzählt. Ein 10.000 Kilometer langer Reisebericht in dreieinhalb Teilen:

Von Martin Wachter.

Diese Geschichte wurde vor zehn Jahren in der UHUDLA Ausgabe 82/2006 veröffentlicht.

Gestatten, mein Name ist Jacques von Baskerville. Ich arbeite an der Cote d’Azur und muß im Auftrag der EU-Politiker Reisebusse und deren Insassen nach Drogen abschnüffeln. Ein Scheiss-Job, sag ich Euch.  

Das Licht der Hundewelt erblickte ich im Mai 1996 im Fürstentum Monaco. Wie man sieht, ist meine Herkunft von höchstem Adel. Aber ich sage euch, ich bin ein Bild einer Promenadenmischung der besonderen Art und vereine mindestens acht Rassen in mir. Ich bin mittelgroß, habe ein langes zotteliges Fell weißer Farbe. Das rechte wachsame Hundeauge ziert ein schwarzer neckischer Fleck, wie eine modische halbe Sonnenbrille. Quasi bin ich ein vielfältiger und mehrfarbiger Rassenköter.
Meine Mutter hat sich, wie schon einige Generationen aus meiner Verwandtschaft davor, im Yachthafen der Reichen und Schönen aus aller HerrInnen Länder herumgetrieben. Meinen Vater hab ich nie kennengelernt. Das war mir auch egal, denn ich lernte bald die Spielregeln des Hundelebens in freier Wildbahn. Schon nach vier Jahren war ich der Boss an den  Cote d´Azur. Mein Revier waren die  Strände von St. Tropez, Cannes, über Nice bis nach Monaco.

Vom Vagabundenleben direkt in den Staatsdienst

Der Winter 2000 war von“les miserables” und ich zog immer weiter nach Süden Richtung Spanien. In Marseille war es richtig hart. Schlechtes Fressen und zum Saufen billiger Fusel. Streunende Hunde in allen Gassen. Da war es Schluss mit lustig und feudalem Hundedasein wie an der Cote d´Azur. Mit ein parr anderen StreunerInnen bin ich da im Hafen herumgelungert. Wir haben gekifft wie die Blöden und manchmal haben wir uns auf der Quaimauer eine Straße schlechten Koks gelegt.
An einem Morgen nach einer Sex & Drugs & Rockenroll Nacht hab ich geglaubt mir fliegt der Hundeschädl weg. Auf allen vieren hab ich mich in eine Hafenkneipe geschleppt und einen Fernfahrer aus Österreich um ein Bier angebettelt.
Der Sepp Wenzl aus Grodnau im Burgenland, ein Fernfahrer von der Firma Klein in Unterkohlstätten hatte Mitleid mit meiner traurigen Gestalt. Er wollte mich als Wachhund für sein Einfamilienhaus mit Jägerzaun ins Burgenland mitnehmen. Mir war alles wurscht, doch schon allein der Gedanke an Wurst verursachte Brechreiz. Aber das zweite Bier wirkte Wunder.
Ab in die Ferne, rein in den Laster. In der Schlafkoje war es wunderbar. In einem gemachten Bett hab ich schon ewig nicht mehr geschlafen. Das Brummen des schweren Dieselmotors versetzt mich sofort in den siebenten Hundehimmel. Aus dem sanften Schlummer wurde am Ursprung der Alpen ein Albtraum.
„Ham’S an Passport für den Köter”, hörte ich einen brummigen Chef der (Grenz)Kontrolle im Halbschlaf und wurde aus dem supergeilen Hundeträumen entrissen. Mit einem Auge blickte ich in das grimmige Gesicht eines französichen Staatsdieners kurz vor seiner Pensionierung.
„He was ist ein Passport überhaupt”, bellte ich den Zöllner trotzig an. „Und für was braucht der King of de Cote d´Azur überhaupt einen blöden Reisepass” setzte ich mit einem Knurren noch eins drauf. Die staatliche Amtsperson kannte keinen Spass. „Aussteigen! Kommst in ein Hundeheim für streunende Köter”. Schon hatte er mich an einem Ohr gepackt und zerrte mich aus meinem Schlafgemach.
„C’est la vie”, dachte ich mir, probier ichs halt mit der sanften Tour. Wär doch dreimal kurz gebellt, sollte ich den Grantscherm von an Bullen nicht rumkriegen. Den traurigsten Hundeblick aufgesetzt, zu dem ich in meinem verköterten Zustand nach einer harten Woche fähig war. Ins Tierheim wollte ich nicht, denn mir wurde von Ausreissern die schlimmsten Sachen über diese Anstalten erzählt.
Der Grenzer kannte keine Gnade und ruckzuck hing ich an einer Leine. Das erste Mal in meinem Leben. Ein beschissenes Gefühl, sage ich euch. Wie ich da so stehe in meinem Elend, fährt mir ein knallroter Porsche fasst über die Pfoten. Mit quietschenden Reifen bleibt der Nobelhobel vor meiner Schnauze stehen. Der Yuppie am Lenkrad spielt auf cool. „Na Monsieur Chef, ham ma wieder einen Streuner eingefangen, ab ins Tierheim mit den Gfrast. Es gibt eh zu viele Streuner auf der Welt”, gibt sich der Herr von Zupfenhausen (auf wienerisch ein Wixer und in Zuffenhausen werden die Porsches gebaut. Anm. d. Red) lässig und seine viel jüngere Beifahrerin kichert amüsiert.

Porsche mit Schnee! Hundeherz was willst du mehr!

Bei so blöden Sprüchen stellt’s mir meine Dreadlock Matte auf. Trotz Leine, wollte ich den Yuppiearsch an die Gurgel springen und seine Visage durchs offene Fenster mit meinen Zähnen kämmen. Doch halt, was steigt mir da in meine feine Hunde­nase als ich bei Porschetür einsteige. Ein Düfterl sage ich euch. Der feinste und beste Koks, den ich jemals vor meine Schnauze bekommen habe. Ich war nicht mehr zu halten. Wenn ich schon ins Hundeasyl muss, dann vorher noch ein gutes Priserl durchs Naserl gezogen. Ich hab mich des blöden Zöllners entledigt, indem ich ihn ans Bein gepinkelt hab. Als er vor Schreck die Leine fallen hat lassen, bin ich durchs offene Fenster (Kommissar Rex hätte gegen mich jämmerlich ausgeschaut) gejupmt. Dann hab ich mich auf dem Rücksitz in der Tasche mit reinstem Schnee eingegraben.
Was folgte war ein totaler Absturz. So viel Schnee hält das beste Hundeherz nicht aus. Als ich wieder zu Sinnen kam, war remi temi in Monaco. Fernesehteams aus nah und fern und sogar CNN waren da. Journalisten, Blitzlichtgewitter und und und. Ich war der Star in den Medien. „Monaco Schnuffi im Koks Porsche”, „Der Schnee-Gendarm von Saint Tropez” oder „Die goldene Nase von Cannes” titelten die regionalen, nationalen und internationalen Medien ihre Ge­schichten und Berichte.
Danach war’s aber vorbei mit dem freien Hundeleben. Ich wurde in den Staatsdienst aufgenommen. Als Drogenfahnder im Dienste Frankreichs und der Europäischen Union. Ich bekam einen Hundepass mit bereits am Anfang der Geschichte erwähnten Namen. Ich hätte lieber Alain de Clo­chard heissen wollen oder Wüff de Liberté, aber mich fragt ja niemand.

Als Rauschgifthund bist ein armes Schwein 

Grafik: Hans Auer
Grafik: Hans Auer

Die Aufnahmeprüfung in den Staatsdienst war ein Klacks und die Ausbildung ein Hundespiel. Schwar­zen Afghanen, Roten Lybanesen oder marokkanischen Shit kannte ich vom Leben auf der Straße. Extasy haben mir manchmal die verzogenen Fratzen der reichen Monagesen in die Knackwurst ge­steckt. Und Koks kenn ich bestens von meinen Yachtausflügen ins Mittelmeer. Denn manchmal wollten irgendwelche reichen Fuffis was Gutes tun für einen Strassenköter, wenn ihnen langweilig war.
Ich habe eine steile Karriere als Drogenhund gemacht. Meinen alten „Herrn” hab ich schon längst vergessen. Der hat sich nach meiner Ausbildung zum staatlichen Schnüffler in den wohlverdienten Ruhestand geschlichen. Meine jetzige „Hundeführerin” ist noch jung und sehr ehrgeizig. Die will mich immer zu noch mehr Leistungen antreiben, obwohl meine Drogenaufspürquote in Tonnen und nicht in Kilo gemessen werden kann.
Kurzum, ich hasse den Job. Ich bin  ein paarmal abgehauen. Doch mich kennen alle von Ventimiglia bis nach Marseille. Also  war und ist im­mer Endstation Grenzstation. Im Europa der Konzerne und Manager darf ich nicht mehr in die grossen Fernlaster. Autos der Luxusklasse und Sportwagen werden an der Grenze durchgewunken. Geld regiert die Welt und Zeit ist auch Geld in Europa.
Wegen der „Modernen Zeiten” an den Nochgrenzen im grenzenlosen Europa, ist den ZöllnerInnen langweilig. Die aufrechten Zweibeiner haben sich neue Opfer gesucht, die sie schikanieren. Ich muss jetzt in den Habseligkeiten der Polen, Ukrainer, Mol­dawiern, Bulgaren und Ru­mänen herumschnüffeln, die tagelang quer durch Europa einer schlecht­bezahlten Ar­beit tausende kilometerweit nachfahren. Dieser grausliche rumänische  Schnaps und der Mief in den Bussen verdirbt jedem Hund die Nase.
Heute hab ich schon den dritten Autobus abgeschnüffelt. Kommt schon wieder einer um die Ecke an der Mautstelle oberhalb von Monaco. Ich hau mich in die Büsche. Ah, da steht einer und bewässert die Palme. Den werde ich mein Hundherz ausschütten. Vielleicht kann er mir auch helfen, denn ich hab Europa satt.
Wenn viele Afrikanerinnen und Afrikaner nach Europa wollen, wird es dort auf einen Hund mehr oder weniger auch nicht ankommen.
Ich will nach Afrika ins Exil

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