Alt Wien goes west

Titel 93
© Martin Wachter

Schinkenfleckerl, Melange, Apfelstrudel und Co ■ Christoph Hubmayer und Konrad Tretter hatten eine Eingebung. Mit Wiener Scharm und Schmäh im Reisegepäck zogen sie fast dreitausend Kilometer westwärts und haben ein KAFFEEHAUS in Lissabon aufgemacht.

Ein Lokalaugenschein von Martin Wachter, erschienen in der UHUDLA Ausgabe 93/2010

Die krisengebeutelten portugiesischen Landsleute sparen enorm Marie. Sie brauchen keine Stadtreise in die österreichische Metropole. Wien ist quasi um die Ecke und die Donau heißt jetzt Tejo.

„Das Kaffeehaus ist toll, bestimmt schon 30 mal dortgewesen und noch keine schlechte Erfahrung gemacht …toi toi toi. Freundliches Service, excellentes schmackhaftes Essen…. vom Tosta mista (bester in der Stadt) über Apfelstrudel bis hin zum Schnitzel (vom Schwein) mit Kartoffelsalat alles super!!!!”, schwärmt ein Gast im Internetz über den Österreichexport direkt ins Herz der Portugiesischen Metropole am Tejo.
In der Tat das Etablissement in einer Seitengasse der Rua Garett, einen Steinwurf von der Metrostation Baixa (Beischa) Ciado entfernt, hat Flair und Scharm. Ein ganz normaler „fauler Sonntag” Vormittag, nicht wie bei den Kings ein Nachmittag. Der Ort der Handlung ist auch nicht London sondern Lissabon. Die 30 Sessel im Schanigarten und die gut 50 Plätze im Lokal sind so gut wie vollzählig besetzt.
Die KellnerInnen haben bereits alle Hände voll zu tun. In der Küche herrscht Hochbetrieb. Mitten im gelassenen entspannten Gewusel die zwei Kaffeesieder, nein Chefitäten Christoph und Konrad.

Kipferl und Gulasch bezaubern Lisboa

„Seit zwei Jahren gibt es das KAFFEEHAUS und wir haben Glück, denn der Laden läuft gut und unsere Idee ist voll aufgegeangen”, freut sich Christoph Hubmayer. Er und sein Kompagnon Konrad haben alles in Österreich liegen und stehen gelassen. Sie haben das ganze Geld zusammengekratzt. Sie waren bessessen von der Idee in Lissabon ein Wiener Kaffehaus aufzumachen.
Der Niederösterreicher aus der Nähe von Sankt Pölten geborene Christoph Hubmayer macht den Lokalchef. Ist ganz schön anstrengend bei einem Personalstand von einem Dutzend Beschäftigten. Weil der Laden gut läuft, ist auch der Wareneinkauf und die Organisation eine zeitraubende Angelegenheit.
Die Speise- und Mehlspeiskarte macht einem alten Wiener Kaffeehaus alle Ehre. Nur die Beschaffug eines Kipferls oder der Fleckerl für den Schinken ist doch etwas komplizierter. Schließlich ist Lissabon nicht Wien. Fleischgerichte, Mehlspeisen – alles muss von der Qualität her tipptopp sein.
Die Gäste des Hauses sind guter und gehobener Mittelstand und anspruchsvoll. „Wenn man das berücksichtigt und Service, Preis, Leistung und vorallem das Angebot gut sind, dann ist man an diesem Ort auf der eher sicheren Seite. Unsere Nachbarschaft ist die Oper und hier arbeiten RechtsanwältInnen und ‚hohe Tiere‘ der Stadt”, schildert Christoph das Erfolgskonzept des  KAFFEEHAUS.
Nebenbei sei erwähnt, dass sich die Qualität des österreichischen Gastronomieexports in der Stadt herumgesprochen hat. Auf vielen der schwarzen Tischplatten steht schon nach dem Aufsperren mit weisser Kreide „Reserviert” geschrieben. Die Einrichtung ist einfach und modern im Lokal. Solide schlichte graue und schwarze Sessel, und ebenso gestylte acht rote Sitzgelegenheiten möbeln das Ambiente auf.
Erfreulicherweise ist die Musik im Lokal dezent und leise. Sie ist nicht wienerisch raunzend sondern gedämpfter Jazz der Marke Chicago. Das Zeitschriften und das  Leseangebot sind international und reichlich. Alles da, was ein echtes Wiener Kaffeehaus braucht.
Konrad Tretter ist der Herr der Töpfe und Pfannen. Der echte Wiener überzeugt, dass Essen und Trinken Leib und Seele zusammenhält. Fehlt eine der zwei Komponenten ist alles für’n Hugo.

Spass und Freude an der Arbeit

Konrad ist ein Kochprofi und weiss was seine Gäste wünschen. Da wird nicht gespart, wenn’s um die Qualität der dargebotenen Konditoreischmankerl und der Wiener Hausmannskost geht. Erleichtert wird die Arbeit im Lokal auch dadurch, weil die zwei Gastro Abenteurer aus Österreich keine Kosten und Mühen gescheut haben. Bei der Investition für ihre Existenzgrundlage haben sie tief in die Tasche greifen müssen. Die Gegend im Herzen von Lisboa ist gelinde gesagt sauteuer. Die etwa hundert Quadratmeter große Lokalität verursacht einen monatlichen Mietaufwand von 5.000 Euro
Mehr oder weniger ist für Christoph und Konrad Geld eine „Nebensache”. Für sie zählt einzig und allein der Spass und die Freude an ihrer Arbeit. Die Verwirklichung ihrer Idee ist ihre tägliche Motivation den Job mit Hingabe und Liebe zu erfüllen. Auch wenn die Arbeitswoche sechs Tage dauert.

Kaffeehaus
Rua Anchieta 3
1100-023 Lisboa
Offen Di. bis Sa. 11 – 24 Uhr
          So. u. Feiert. 11 – 20 Uhr

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