Ihr seid’s die anzige Partei, der i überhaupt noch was glaub‘!

robert
Robert Krotzer

Robert Krotzer, KPÖ-Gemeinderat ■ Vier Jahre im Grazer Stadtparlament. Ein Resümee.
25. November 2012, ein in Grau gekle
ideter Herbsttag, im Grazer Volkshaus wächst gegen 16 Uhr die Anspannung ins schier Unerträgliche: Wir warten in der Bezirksleitung der KPÖ auf die Anrufe der WahlzeugInnen mit den ersten Sprengel-Ergebnissen. Kann die Grazer KPÖ das Stadtratsmandat halten, bleibt Elke Kahr Wohnungsstadträtin?
Bald würden wir eine Antwort haben auf die seit Wochen und Monate diskutierten Fragen. Nach schier unendlichen Minuten läutet endlich das Telefon. Die Wahlzeugin nennt in ruhigem Ton die Nummer eines Sprengels im Grazer Arbeiterbezirk Gries und nachfolgend die Stimmen für die jeweiligen Parteien: „ÖVP, 55 Stimmen. SPÖ, 22 Stimmen. FPÖ, 23 Stimmen… KPÖ, 88 Stimmen.“ „Äh, wie bitte?“, antwortete ich ungläubig und hatte das Gefühl, mir würde gleich der Telefonhörer aus der Hand fallen.
Robet Krotzer ist 28 Jahre alt, AHS-Lehrer und KPÖ-Gemeinderat

Im Laufe des Abends war die Sensation perfekt: Die Grazer KPÖ wurde mit knapp 20 Prozent zur zweitstärksten Partei in der zweitgrößten Stadt Österreichs gewählt. Und als mir jemand mit einem Lächeln auf die Schulter klopfte und meinte „Gratulation, Herr Gemeinderat!“, begann ich langsam zu realisieren, dass ich auf dem vermeintlich aussichtslosen achten Platz der Liste „KPÖ – Elke Kahr“ in den Grazer Gemeinderat gewählt wurde.In den folgenden Tagen strahlten viele Menschen auf den Straßen und in den Lokalen von Graz, die Freude über den Erfolg der Underdogs gegen das Polit-Establishment war groß. Aus ganz Österreich und darüber hinaus trafen Glückwünsche ein. Und die Mama hatte auch Ratschläge parat: „Jetzt wo du Gemeinderat wirst, musst du schauen, dass du immer ordentlich angezogen bist.“ Scherzhafter Nachsatz: „Du bist ja nicht bei den Grünen.“

„Das werde ich mir von ihnen sicher nicht gefallen lassen, die Frau Kahr wird mir helfen. Die wird jetzt nämlich Vizebürgermeisterin!“

Am Bewegendsten aber war die Erzählung eines Freundes, der mir von einem Telefongespräch auf der Straße erzählte, bei dem eine Frau ermutigt vom Wahlausgang zu ihrem Vermieter sagte: „Das werde ich mir von ihnen sicher nicht gefallen lassen, die Frau Kahr wird mir helfen. Die wird jetzt nämlich Vizebürgermeisterin!“

Geholfen hat die KPÖ und Elke Kahr tausenden Menschen in Graz, aber aus einer kommunistischen Vizebürgermeisterin wurde (vorerst) nichts. Bereits die erste Gemeinderatssitzung wurde zu einem Sittenbild der österreichischen Politik. Die Wahlverlierer ÖVP und SPÖ klammerten sich an die rechte FPÖ und einen „Grazer Stabilitätspakt“, der weitere Kürzungen auf dem Rücken der Bevölkerung vorsah – während die Parteien sich selbst als erste Amtshandlung eine Erhöhung der Parteienförderung und der Klubobmann-Gehälter gönnten. ÖVP und SPÖ reagierten auf die Kritik der KPÖ daran mit der beständigen Wiederholung, dass diese „unverantwortlich“ sei, während der FP-Klubobmann Sippel die nun zehnköpfige KPÖ-Gemeinderatsfraktion als „Stalins Enkel“ bezeichnete. Der Rest ist bekannt: Obwohl Elke Kahr und der KPÖ der Posten der Vizebürgermeisterin zustand, wurde in einer demokratiepolitischen Schmierenkomödie die SPÖ-Kandidatin Martina Schröck auf diesen Posten gehievt.

Schnell haben wir also zwei Lektionen gelernt. Die erste stammt von Ernest Kaltenegger, der bei unserer ersten Klubsitzung sagte, wir sollten uns von den MandatarInnen der anderen Parteien, ihren Spielchen und dem Ambiente des Rathauses nicht verunsichern lassen: „Merkt’s euch, die anderen kochen auch nur mit Wasser. Und des könnt’s ihr schon lange!“ Die zweite Lektion war, dass wir im Grazer Rathaus auch mit 20 Prozent nur etwas erreichen können, wenn wir das Bündnis mit der Bevölkerung suchen und so Druck aufbauen.

Das gelang gleich zu Beginn etwa beim Erhalt des Mobilitätsschecks für Studierende, der nur dank einer von tausenden Menschen unterzeichneten Petition vor der VP/SP/FP-Kürzungswut gerettet werden konnte. Das Vorbringen dieses Anliegens war meine erste Rede im Grazer Gemeinderat – die beinahe im Gebrüll und den Zwischenrufen von Schwarz und Blau unterging. Letztlich mussten sie aber durch den Druck der KPÖ und aus der Bevölkerung von ihren ursprünglichen Plänen abrücken.

Die politische Konstellation im Grazer Rathaus ist jedenfalls im deutschsprachigen Raum relativ einzigartig

Seither sind vier Jahre ins Land gezogen, über 3.000 Minuten verbrachten wir im Sitzungssaal des Grazer Gemeinderats, mit über 600 Anträgen war die KPÖ die Fleißigste von allen Fraktionen. Mit zehntausenden Flugblättern und dem „Grazer Stadtblatt“ versuchen wir die Menschen zu informieren, was im Rathaus diskutiert und beschlossen wird.

Die politische Konstellation im Grazer Rathaus ist jedenfalls im deutschsprachigen Raum relativ einzigartig, ist doch eine Kommunistische Partei mit knapp einem Fünftel der WählerInnenstimmen zweitstärkste Partei. Sie ist damit seit vielen Jahren ein nicht wegzudenkender Faktor in der politischen Landschaft – aber keine Selbstverständlichkeit und natürlich von der Unterstützung der Bevölkerung abhängig. Die KPÖ macht keine leeren Versprechungen, sondern setzt sich für und mit den Menschen gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein: Die Preishalbierung bei der Öffi-Jahreskarte, ein Gebührenstopp bei Müll und Kanal, der Bau von 564 neuen Gemeindewohnungen und die Planung von über 500 weiteren, die Einführung eines Kautionsfonds und der Mietzinszuzahlung oder die kostenlose Mietrechtsberatung sind nur einige Beispiele dafür. All das wäre ohne die KPÖ nie passiert und ohne sie würde im Grazer Gemeinderat– wie in beinahe jedem anderen politischen Gremium in Österreich – ausschließlich Politik für finanzstarke Lobbys und die eigene Tasche gemacht werden.
Soviel zu den großen Erfolgen, zu denen viele kleine kommen: Überdachte Bushaltestellen, aufgestellte Fahrradständer und Mistkübel oder auch die Beseitigung eines Hakenkreuzes auf einem Grab am Zentralfriedhof. Und freilich auch wichtige gesellschaftliche Positionierungen der Stadt Graz, etwa für eine Vermögensbesteuerung oder gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA.

Im Gemeinderat selbst erlebten wir Theaterdonner und Beleidigungen, an Verhetzung grenzende Wortmeldungen und gespielte Empörung – besonders dann, wenn ich der ÖVP die Heuchelei ihrer Politik mit Bibelzitaten veranschaulichte. Die KPÖ – und das kann ich aus Überzeugung sagen – hat sich davon nicht beirren lassen, wir sind unserem Weg ohne Verrenkungen, Tricks, Untergriffigkeiten oder Unwahrheiten stets gefolgt, haben nicht vergessen, dass es gerade die arbeitenden Menschen und sozial schwachen Bevölkerungsgruppen waren, die uns in diese Funktion gewählt haben und wir ihnen (und nur ihnen!) verpflichtet sind. Ehrlichkeit und Geradlinigkeit sind in der Politik ein seltenes Gut, bei der KPÖ Graz weiß man aber stets, woran man ist. Auch und gerade in der Frage des Murkraftwerks – entgegen aller im Wahlkampf nun gestreuten Behauptungen von ÖVP, SPÖ und FPÖ.
Auch das Schlechtreden der Errungenschaften der KPÖ – gerade im Bereich des Wohnens – durch alle anderen Parteien im nun anlaufenden Wahlkampf gehört zu diesem Spiel. Wir werden alles dafür tun, dass billige Wahlkampfrhetorik nicht künftig weitere positive soziale Entwicklungen in der Stadt verhindert. Und können nur hoffen, dass die WählerInnen am Ende jenen glauben, die auch dann noch für sie da sein werden, wenn die Wahlkampfständer wieder abgeräumt sind.

Die KPÖ Steiermark beschränkt die Einkommen ihrer FunktionärInnen auf einen FacharbeiterInnen-Lohn

Dass die Grazer KommunistInnen einen großen Teil ihres Polit-Einkommens abgeben, ist vielen bekannt. Auch ich habe in den 4 Jahren über 40.000 Euro von meiner Funktionsgebühr als Gemeinderat an die KPÖ Graz abgegeben, die damit den MieterInnen-Notruf und die Arbeit der Partei finanziert. Ich erwähne das nicht, um als Wohltäter dazustehen, denn dazu verpflichtet mich auch das Parteistatut.
Vielmehr will ich damit zweierlei aufzeigen: Polit-Gehälter in Österreich sind viel zu hoch und tragen dazu bei, dass bestens bezahlte BerufspolitikerInnen keinerlei Bezug haben zur Lebenswelt jener Menschen, die von ihren Entscheidungen betroffen sind. Wie groß die Abgehobenheit und Arroganz gegenüber Menschen mit geringen Einkommen ist, haben wir auch im Gemeinderat immer wieder erlebt, wenn wir die alltäglichen Sorgen und Nöte zur Sprache brachten. Da das „gesellschaftliche Sein das Bewusstsein bestimmt“, beschränkt die KPÖ Steiermark die Einkommen ihrer FunktionärInnen auf einen FacharbeiterInnen-Lohn und unterstützt mit dem übrigen Geld Menschen in Notlagen, seit 1998 sind so über 1,5 Millionen Euro aus dem Sozialfonds ausbezahlt worden. Das hat nichts mit „Almosen-Politik“ zu tun, sondern ist eine politische Entscheidung, die in den Ideen der ArbeiterInnenbewegung und dem Solidaritätsgedanken ihren Ursprung hat.

Der beständige Austausch mit der Grazer Bevölkerung bei Infoständen, Veranstaltungen, Unterschriftenaktionen und Diskussionen und die vielen, vielen positiven und wertschätzenden Rückmeldung von hunderten Grazerinnen und Grazern über all die Jahre weg, waren die stete Motivation weiterzumachen und zu wissen, warum und für wen man die Arbeit macht. Nicht nur einmal hörte ich an den Infoständen: „Ihr seid’s die anzige Partei, der i überhaupt noch was glaub‘!“ oder etwa auch: „De Politiker san olle Banditen – außer die Elke Kahr, die hilft als Einzige.“
Die Verbundenheit mit den Menschen und der tägliche Einsatz für ihre sozialen Interessen ist zugleich auch das stärkste Instrument in der Auseinandersetzung mit der FPÖ.

Gerade diese Auseinandersetzungen waren immer wieder nervenaufreibend. Im Gemeinderat hat sich die FPÖ als Partei hervorgetan, die jede sozialpolitische Errungenschaft am vehementesten ablehnte, jede Verschlechterung für die BürgerInnen der Stadt mittrug und am meisten auf die Politikerprivilegien pochte. Dass sie keinerlei positiven Lösungen für die Menschen unserer Stadt hat, versuchte sie mit rassistischer Spaltung der Bevölkerung zu überbrüllen und fiel immer wieder durch die Verächtlichmachung von sozialen und Menschenrechten auf. Dabei schreckte sie auch vor persönlichen Angriffen nicht zurück, wie ich durch die Beschimpfung als „Gewalttäter“ durch FP-Stadtrat Eustacchio oder gar eine Anzeige aus dem Umfeld der FPÖ wegen vermeintlicher „Nötigung“ und „Schwerer Nötigung“ (!) selbst erfahren durfte. Aber auch davon ließen wir uns nicht aus der Ruhe bringen und ich bedanke mich an der Stelle nochmals für die vielseitige Solidarität und Unterstützung.

Danke an Elke Kahr, an meine KollegInnen aus dem KPÖ-Gemeinderatsklub, an die MitarbeiterInnen aus dem Gemeinderatsklub …

Es gäbe über die vier Jahre noch so vieles zu sagen, aber ich beschränke mich auf ein Wort: Danke! Danke an Elke Kahr, an meine KollegInnen aus dem KPÖ-Gemeinderatsklub, an die MitarbeiterInnen aus dem Gemeinderatsklub, dem Stadtratsbüro und der Bezirksleitung, an die AktivistInnen der KPÖ Steiermark sowie der KJÖ und des KSV. Danke an alle Menschen, die ich in den vergangenen vier Jahren in der Tätigkeit als Gemeinderat der Stadt Graz kennenlernen durfte, für die schönen Momente und bereichernden Diskussionen, für die aufmunternden Worte ebenso wie für die Kritik, die wir stets versuchten in unser künftiges Handeln einzubauen. Danke auch für das Verständnis, wenn ich für manches – gerade in privater Hinsicht – nicht die Zeit hatte, die ich gerne aufgebracht hätte. Danke vor allem aber für jede Unterstützung mit der es uns gelungen ist, positive Veränderungen für die Menschen in der Stadt Graz durchzusetzen. Danke!

Für die Gemeinderatswahl am 5. Februar werde ich erneut auf dem achten Listenplatz stehen. Was der Wahltag für die Stadt Graz, für die Grazer KPÖ und für mich persönlich bringen wird, wird sich weisen. Bis dahin steht noch eine Menge Arbeit an und wir freuen uns über jede helfende Hand und jede/n, die/der in seinem Umfeld Werbung für die Arbeit der KPÖ Graz macht – wir sind auf eure Unterstützung angewiesen!

Eines weiß ich jetzt schon sicher, ich werde am 5. Februar 2017 wieder genauso nervös sein wenn bei der ersten Hochrechnung die Balken hochgehen, wie an jenem Novemberabend 2012…

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