Jetzt kommt Kurz – Ohne Helm und ohne …

Sept.2017
© Karl Berger: http://www.zeichenware.at

Wofür steht Kurz – und was wird aus der SPÖ ■ Ein paar Gedanken dazu. Wer wissen will, wofür die FPÖ in den Regierungsverhandlungen streiten wird, kann das sehr gut im Buch „FPÖ-Partei der Reichen“ von Michael Bonvalot nachlesen. Weniger klar ist dabei die  „neuen ÖVP“ des Sebastian Kurz im Schilde führt.
Ein Essay von Otto Bruckner

Dass Sebastian Kurz im Wahlkampf eine Blaupause des FPÖ-Programms zu Themen wie Migration ablieferte, sollte nicht überschätzt werden. Das diente der Stimmenmaximierung. Freilich wird in diesen Bereichen schnell Einigkeit herrschen, da ja FPÖ und ÖVP bei der Begrenzung der Migration ebenso einig sind, wie die ÖVP in dieser Angelegenheit mit der SPÖ in der Bundesregierung an einem Strang zog.

Die meisten Problemfelder, die hier angesprochen werden, wie Verdrängungskonkurrenz am Arbeitsmarkt, Lohndumping und vieles mehr, haben mit dem Thema Flüchtlinge nur am Rande zu tun. Das verschweigen sie alle zusammen. Vielmehr sind die Flüchtlinge im biblischen Sinne der Bock, den man in die Wüste treibt. Denn die Verdrängungskonkurrenz am Arbeitsmarkt spielt sich ja weitgehend innerhalb der EU ab. Tschechische, slowakische, polnische, slowenische, deutsche und ungarische Arbeiter*innen drängen auf den österreichischen Arbeitsmarkt, nicht syrische, irakische und afghanische. Die Letztgenannten gibt es zwar auch, aber sie spielen in absoluten Zahlen eine vollkommen untergeordnete Rolle.

Sebastian Kurz steht für nichts, das war sein Wahlkampfmotto

Zurück jedoch zum Thema: Was wird von der „neuen ÖVP“ in den großen politischen Linien, etwa der Wirtschaft- und Sozialpolitik zu erwarten sein? Kurz steht für nichts, das war sein Wahlkampfmotto. Auch in TV-Konfrontationen wich er stets konkreten Fragen aus und blieb bei seinen Allgemeinplätzen. Manche meinen nun, ein Blick auf die Spenderliste würde genügen, und man wisse schon, wofür Kurz steht. Das mag schon stimmen, jedoch für die rabiate arbeiterfeindliche Linie eines KTM-Bosses Pierer steht eigentlich eh die ganze Industriellenvereinigung ein, da hätte Stefan Pierer nicht extra als Spender auftreten müssen, und auch die FPÖ zeigt in ihrer Paradelandesregierung in Oberösterreich, dass sie als Krampus gegen Gewerkschaften und Arbeiterschaft bestens geeignet ist.

Die wahren Proportionen im Machtgefüge hinter Sebastian Kurz können nicht mit der Spenderliste erfasst werden. Zu viele Wichtigtuer ohne Relevanz finden sich darauf, und zu wenige wirkliche Schwergewichte der alten und neuen ÖVP. Für die war die Spendenfinanzierung des Wahlkampfes eher eine willkommene Billiglösung. Das innere Machtzentrum der ÖVP ist rund um den Raiffeisenkonzern gruppiert. So war es, und so ist es. Dabei darf man sich nicht bloß die Bankengruppe vorstellen (die auch schon mächtig genug ist), sondern muss auch den Bereich der Lagerhausgruppe, der Industriebetriebe und der Beteiligungen (etwa VOEST-Alpine) dazu denken.

Überall, wo die SPÖ mit Konsum, Bank Austria, BAWAG usw. eingeknickt ist, hat der gelbe Riese Terrain gewonnen, ja sogar die Privatisierung der Verstaatlichten Industrie wurde zum eigenen Vorteil genutzt. Dieses weitverzweigte und über große Teile Ost- und Südosteuropas ausgebreitete Netzwerk ist stärker und größer, als es die ÖVP je sein kann. Auch die gute Gesprächsbasis zu den Staaten der Visegrad-Gruppe ist da nur zu logisch, ebenso eine moderate Russland-Politik.

Die Raiffeisen-Gruppe ist auch einer der größten Immobilienkonzerne des Landes, und das sollte nicht unterschätzt werden. Zusätzlich zur Raiffeisen-Gruppe darf man sich noch etwa die Erste-Bank-Gruppe, diverse regionale Player und große Teile der österreichischen Industrie, wie deren Präsidenten Georg Kapsch als Teil des schwarzen Machtblocks vorstellen. Weitere – mit Raiffeisen eng verwobene – Seilschaften, die mittels der Jägerschaft rekrutiert werden, sind die Großgrundbesitzer und Adeligen des Landes.

Der Rotstift wird bei Sozialleistungen angesetzt werden

Sie alle vereint der Wunsch, das Fördersystem der EU für die Landwirtschaft, das kleine Bauern umbringt, und die Großagrarier fördert, im Großen und Ganzen beizubehalten, und dazu natürlich auch die zugehörigen großzügigen Förderungen aus dem österreichischen Staatshaushalt. Keinesfalls soll an der De-facto-Steuerfreiheit für die Großagrarier gerüttelt werden, und natürlich auch nicht an der staatlichen Subventionierung des Treibstoffs für immer neuere Supertraktoren.
Dieser ganzen Gruppe wird es ein Anliegen sein, dass Zuwendungen an die Industrie von Bund und Ländern weiter sprudeln. Ebenso werden sie Herrn Kurz nicht erst davon überzeugen müssen, dass Erbschaften und Vermögen nicht zu besteuern sind sondern nur die Gewinne bei den armen Schluckern aus der Masse von Handel und Gewerbe.

Da also – mit Ausnahme steigender Steuereinnahmen aus Mehrwertsteuer und Lohnsteuer aufgrund des bescheidenen Wirtschaftswachstums – die staatlichen Mittel eher nicht größer und die Spielräume enger werden, wird der Rotstift bei Sozialleistungen angesetzt werden. Auch direkte Lohnkürzungen werden kein Tabu sein, und weitere Privatisierungen kommen wieder auf die Tagesordnung.

Die Mächtigen hinter Sebastian Kurz werden bemüht sein, die SPÖ im Spiel zu halten, und der Sozialpartnerschaft das Leben zu erhalten, solange sie nützlich erscheint. Die SPÖ bleibt natürlich eine wichtige Alternative für das Kapital, und schon deshalb wird man sie nicht ganz aus dem Spiel nehmen. Auch diese Kräfte vertrauen darauf, dass die SPÖ sich in der Opposition neu aufstellen und ihre im Wahlkampf an den Tag gelegte Tölpelhaftigkeit ablegen wird.

Denn wenn die Option Kurz-Strache verbraucht ist, dann beginnt wieder ein neues Spiel, und da wird man die SPÖ wieder brauchen. Die Widerstandskräfte – hier vor allem die kämpferischen Teile der Gewerkschaftsbewegung – sollten sich im klaren darüber sein, dass die SPÖ nur ein Stück des Weges bei ihnen sein wird. Nicht nur, dass das Kapital die Sozialdemokratie als Alternative in petto braucht, ist sie auch selbst durchsetzt mit Lobbyisten, Managern und Industriellen, welche moderner und moderater auftreten als die Kürzlinge, All diese Protagonisten dienen den Interessen derselben Klasse des Kapitals, und sicher nicht der Arbeiterklasse…

 

Der Autor:
Otto Bruckner, ist der erste am Wiener Gründungsparteitag gewählten Vorsitzenden der Partei der Arbeit PdA.

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