Mut zum Widerstand …

UHUDLA_107_WPAllen helfen, die Hilfe brauchen ■ Die KPÖ ist mit 25.645 und 20,34 Prozent der abgegebenen Stimmen wieder zweitstärkste Partei im Grazer Gemeinderat. Gegenüber der Wahl von 2014 haben die KommunistInnen im Februar 2017 um 2 920 Stimmen mehr erhalten und ein zweites Stadtratsmandat dazu gewonnen. Der 30-jährige Robert Krotzer, ein AHS-Lehrer war fünf Jahre Gemeinderat. Er hat diese Funktion übernommen.
UHUDLA Ausgabe 107 / 2017 Titelgeschichte
Ein Interview von Anne Rieger  mit Robert Krotzer

ÖVP und FPÖ, stärkste und drittstärkste Partei mit 37 bzw. 16 Prozent der abgegebenen Stimmen, haben sich zur blau-schwarzen Koalition eingemauert. Mit ihrer Stimmenmehrheit haben sie der KPÖ das Wohnungsressort entrissen, das sie 19 Jahre erfolgreich geführt hat. Stattdessen teilen sie ihr das Verkehrsressort, sowie die Ressorts Gesundheit und Pflege zu. Letzteres übernahm Robert Krotzer.

uhudla: Du bist der jüngste Stadtrat in der Grazer Geschichte. Erzähle über die Aufgaben in Deinem Ressort.
Robert Krotzer: Gesundheit und Pflege sind sehr wichtige Bereiche, die alle Menschen betreffen. Auch wenn die städtischen Kompetenzen im Vergleich zum Land eher begrenzt sind, tut das dem, was wir vorhaben, keinen Abbruch.
Unser Vorhaben ist es, einen leichteren Zugang zu schaffen, besonders für Menschen die soziale oder auch sprachliche Barrieren haben um so zur bestmöglichen Gesundheitsvorsorge und Beratung zu kommen. So wollen wir Impfaktionen in Stadtteil- und Jugendzentren, an Universitäten oder in Betrieben näher an die Menschen heranbringen, die Menschen aufsuchen und die Aktionen vor Ort bewerben.

uhudla: Was willst Du in Deiner Stadtrats-Funktion als erstes angehen?
Robert Krotzer: Als erstes haben wir uns mit den Menschen in Ämtern und zahlreichen Gesundheitseinrichtungen sowie Vereinen getroffen, die in Vorsorge und Beratung tätig sind. Wir wollen sie bestärken, Vernetzungsarbeit machen und gute Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen. Da geht es auch um Aufklärung und Beratung.
Praktisch werden wir uns besonders um die Menschen kümmern, die unter kapitalistischen Prämissen für den Gesundheitsbereich gänzlich uninteressant sind. Wir bieten den Menschen Sozialberatung bei der Rezeptgebührenbefreiung und im bürokratischen Zettelkrieg an. Von Ärzten wissen wir, dass Selbstbehalte dazu führen, dass Medikamente nicht genommen werden. Ein springender Punkt, der die Überschneidung zwischen Armut und Krankheit deutlich macht.
Darüber hinaus geht es darum, aufzuzeigen, dass der Gesundheitsbereich immer mehr kapitalistischen Profitmaximierungszwängen unterworfen wird. Wir wollen einerseits Anwalt für ein bestmögliches kostenfreies Gesundheitssystem sein und andererseits ein politisches Sprachrohr dagegen, dass Gesundheit rein auf die private Ebene geschoben wird.

„Die Diskussion im Gesundheitsbereich sollte gesellschaftspolitisch geführt werden, denn es wird ein politischer Kampfschauplatz der Zukunft”

Viele werden mit ihrem Bauchgefühl dafür eintreten, weil die Bevölkerung damit eine Errungenschaft in Gefahr sieht, die jahrzehntelang außer Streit stand. Wir müssen den Gesundheitsbereich verteidigen, denn institutionellen Anleger wie Versicherungen und Spekulationsfonds sehen hier einen attraktiven Anlagemarkt, wenn der Gesundheitsbereich privatisiert oder teilprivatisiert würde.
Auch die Pflege ist eine hochbrisante Frage. Inwieweit einer Gesellschaft die Würde des einzelnen Menschen wert ist, zeigt sich im Pflegebereich. Hier gibt es eklatante Missstände. Die Pflegeschlüssel sind zu niedrig, es gibt zu wenig Personal, mit Folgen für die Beschäftigten in Form von Überlastung und Burnout und für die Menschen in Pflege mit oft entsetzlichen Zuständen, wie sie der Bericht der Volksanwaltschaft aufgedeckt hat.
Da werden Menschen um 16 Uhr ins Bett gesteckt, bekommen nachmittags nichts mehr zu trinken, damit sie nicht auf die Toilette müssen. Durch Überlastung und falschem Pflegeschlüssel ist jede Form von Beziehungsarbeit, jede menschliche Seite unmöglich, wenn mit der Stoppuhr die Arbeit gesteuert wird. Das ist ein großer Kampf in der Steiermark, weil hier die Pflege privat geführt wird. Sie gehört in die öffentliche Hand.
In meiner Zuständigkeit ist die Kontrolle der privaten Heime, sie ist bisher schon gut gehandhabt worden. Wir werden den KontrolleurInnen weiterhin den Rücken stärken, so dass Missstände innerhalb der gesetzlichen Rahmen beendet und die Pflege verbessert werden kann. Und wir müssen alles tun, um den Pflegeschlüssel zu ändern.

uhudla: Die KPÖ schaffte 1998 erstmals ein Mandat im Stadtrat. Die Partei wurde nach und nach stärker. Was ist der Grund für den Erfolg?
Robert Krotzer: Eine nützliche Partei für das tägliche Leben der Menschen mit den großen Zielen der Arbeiterbewegung zu verbinden und tagtäglich auch zu leben, das versuchen wir. Gerade die Kleinarbeit ist ein ganz wichtiger Baustein revolutionärer Politik.
Man muss Menschen ernst nehmen, nicht belehrend und von oben herab gegenüber treten. Die Einrichtung des Mieternotrufs war Anfang der 1990er-Jahre ein wichtiger Schritt. So haben die Menschen erfahren, KommunistInnen klopfen keine große Sprüche, sondern helfen, wenn man sie braucht.

uhudla: Fast überall in Österreich ist die FPÖ auf dem Vormarsch. In Graz bleiben die Blauen hinter der KPÖ.
Robert Krotzer: Uns ist in der Wahlauseinandersetzung ein Brückenschlag über die Mur gelungen, zwischen den proletarisch-migrantischen Bezirken der Stadt und der anderen Seite, den studentisch-akademisch geprägten Wohnbezirken – mit einer fortschrittlichen Sozialpolitik.
Ein Beispiel dafür sind unsere Aktivitäten gegen die Kürzung der Wohnbeihilfe. Vorher erhielten 4 987 Studierende Wohnbeihilfe, jetzt sind nur es noch 45. Die KPÖ und der Kommunistische StudentInnenverband haben dagegen über 10 000 Unterschriften gesammelt und Demonstrationen organisiert.
Unsere klare Haltung für ein respektvolles Zusammenleben in der Stadt und als Kraft gegen den Rechtsruck hat der KPÖ weitere Symphatie gebracht. Zudem waren und sind wir für eine Volksbefragung über den Bau eines Kraftwerkes an der Mur.

„Zu einem Murkraftwerk, das der Stadt Millionen Euro kostet und die Umwelt dauerhaft schädigen wird, müssen alle Bürger befragt werden”

Die Existenz einer konsequent sozialen Kraft, die die berechtigte Unzufriedenheit über das politische System in fortschrittliche Bahnen lenken kann – das entzieht der FPÖ viel Boden.

uhudla: Die blau-schwarze Stadt-Regierung hat Dir und Elke Kahr ohne Absprache Ressorts zugewiesen. Dass ist ein Indiz, dass ÖVP und FPÖ quasi allein durchregieren wollen.
Robert Krotzer: Mit einem Fuß im Parlament, mit einem Fuß auf der Straße. Das heißt bei den Menschen zu sein, zu berichten, was in den Gremien passiert. Nur wenn die Menschen in Graz wissen, was im Rathaus geschieht, ist es möglich, Widerstand aufzubauen. Das ist unsere Devise.
Die Schaffung einer Gegenöffentlichkeit ist der Ausgangspunkt unseres Handelns, denn die Verschlechterungen werden hinter verschlossenen Türen von der Stadtregierung vereinbart. Erst wenn Menschen sehen, dass es viele betrifft und viele dagegen sind, ist es möglich, den Unmut zu organisieren und Wut in Widerstand zu verwandeln.

uhudla: Wird sich die Nationalratswahl auf Deine/Eure Arbeit in Graz auswirken?
Robert Krotzer: In der Wahlauseinandersetzung, in der Wahlschlacht zur Nationalratswahl wird klar wohin die Reise geht. Die politischen Vertreter der Superreichen, der Banken und Konzerne unterschiedlicher Couleur wollen als angebliche Interessenvertreter der Mehrheit wahrgenommen werden. Begleitet wird der Wahlzirkus von Hetze gegen MigrantInnen und gegenüber wirtschaftlich Schwachen. Die ÖVP macht keinen Hehl daraus, dass sie Hartz IV, das Arbeitslosengeld nach deutschem Muster für Österreich durchdrücken will.
Es wird für die Linke österreichweit darum gehen, eine starke soziale Opposition gegen die Zumutungen der Herrschenden, gegen Sozialabbau von Stadt-, Landes-, und Bundesregierung zu organisieren. In Graz werden wir unseren Protest und Widerstand verstärken und ausbauen. Das geht nur im Bündnis mit der Bevölkerung, mit Einrichtungen und Organisationen, die von möglichen Sozialabbaumaßnahmen betroffen sind.

uhudla: Wirst Du vom 10 000 Euro-Brutto-Monatsverdienst Geld für Menschen in Notlagen spenden?
Robert Krotzer: Selbstverständlich, es gibt in der KPÖ Steiermark die Gehaltsobergrenze, die sich am Facharbeiterlohn von 2 200 Euro netto orientiert.
Das ist aus zwei Gründen von Bedeutung. Die Geschichte der Sozialdemokratie zeigt, dass abgehobene Gehälter zu abgehobener Politik führen, davor sind auch kommunistische Abgeordnete nicht automatisch gefeit. Und umgekehrt geht es uns auch darum, in kleiner Form die Kultur der Solidarität und Hilfe der Arbeiterbewegung fortzusetzen.

uhudla: Warum bist Du Kommunist?
Robert Krotzer: Politisiert habe ich mich im Jahr 2000 mit der schwarz-blauen Bundesregierung, als 14-jähriger in der Provinz habe ich mit der Linken sympathisiert. Die KommunistInnen habe ich aufgrund ihres antifaschistischen Widerstandes als die Konsequentesten erachtet.

„Die Frage stellt sich für mich eigentlich so: Wie kann man mit offenen Augen durch die Welt gehen und kein Kommunist sein”

Und so habe ich den Weg in die Kommunistische Jugend Österreichs gefunden. Wenn man sich heute die Welt anschaut, dass die reichsten acht Männer genau so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, und das Glück hat, in einer kommunistischen Organisation eine gute marxistische Schulung zu bekommen, dann weiß man, dass das kein Zufall ist, sondern mit den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus zusammenhängt.
Wenn man den Zustand der Welt, den Hunger, die Kriege, das Elend und die Umweltzerstörung anschaut und weiß, dass zugleich unsere Gesellschaft so reich ist wie nie zuvor, dann sehe ich es für mich als Verpflichtung für eine bessere Welt zu kämpfen.

 

Die Autorin Anne Rieger lebt in Graz. Sie war Zweite Bevollmächtigte bei der IG Metall in Waiblingen. Seit 2009 ist sie Mitglied im Landesvorstand des Gewerkschaftlichen Linksblocks im ÖGB in der Steiermark und Co-Sprecherin des Bundesausschuss’ Friedensratschlag. Sie schreibt für verschiedene Zeitungen in Deutschland und Österreich

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