Leben mit Musik, Liebe und Tod

Uhudla_42
UHUDLA Titelseite Ausgabe 42
März 1996

Komponist, Musiker und kritischer Zeitgenosse ■ Wolfgang R. Kubizek, der Humanist für offene Ohren und offene Herzen. Wenn etwas mit uns Menschen Schlitten fährt, ist es die Liebe und der Tod. Bei Wolfgang war auch noch eine dritte Komponente in Form der Musik ein Lebensinhalt. Und am 29 März 2019; Wolfgang R. Kubizek – Das Fest. Nebenbei war er auch an der Gründung des UHUDLA beteiligt.

Nachruf für einen Freund und Wegbegleiter
von Martin Wachter. UHUDLA Ausgabe 88/2008

Was der Österreicher Wolfgang R. Kubizek mit seinen Kompositionen macht, hat internationales Format. Käme derlei aus New York – schon wären sie da, die Habitues der Avantgarde schreibt Thomas Rothschild in der Frankfurter Rundschau am 21. 1. 1989.

Nachdem der Komponist Wolfgang R. Kubizek am 7. Juni 2008 im 49. Lebensjahr an Herzversagen verstorben ist, war in den österreichischen Medien im wahrsten Sinne des Wortes kein Sterbenswörtchen über den großartigen Komponisten, politisch engagierten Zeitgenossen und außergewöhnlichen Menschen zu lesen.
„Eine Hochschaubahn der Gefühle, Freude, Leichtigkeit, Trauriges und Bedrohliches”, antwortete ich Wolfgang als er mir Anfang der 1980er Jahre in seinem damaligem Haus im Südburgenland, die Aufnahme einer seiner Kompositionen vorspielte. „Handelt auch von einem Freund, der in jungen Jahren im Fluss ertrunken ist”, entgegnete Wolfgang lapidar. Er fügte noch hinzu, dass die Komposition eine harte und sehr emotionale Arbeit war.

„Musik ist für mich keine Sache für den Supermarkt. Meine Musik benötigt Zeit und Offenheit, offene Ohren und offene Herzen. Meine Mittel wollen keine Grenzen akzeptieren, mein Leben, meine Erfahrungen müssen in ihrer Gesamtheit in die Musik Eingang finden dürfen, ich will keinem nach dem Mund reden.
Die Physiognomie meiner Musik ist nicht dazu angetan, bloß zu gefallen, sie soll betroffen machen, erschüttern, produktive Aggression gegen anachronistische Strukturen wecken, aber auch Glücksgefühle hervorrufen, sie soll die Phantasie des Rezipienten katapultieren, ihm den Ausbruch aus dem täglichen Einerlei ermöglichen, ihn zu kritischem Verhalten seiner akustischen Umwelt(-verschmutzung) veranlassen, ihm natürlich auch zur Lust gereichen.
Was meine stilistischen Interessen anlangt, zähle ich Béla Bartók (Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug & Celesta) Olivier Messiaen (Turangalîla), John McLaughlin (Vision Is a Naked Sword) und Peter Gabriel (So) gleichermaßen zu meinen Lehrern”. So und nicht anders beschreibt damals Wolfgang auf der Hompage http://www.kubizek.at seine Berufung.

Eine Komposition über Glück und Leidenschaft

Konsequenz, Ausdauer und Feingefühl prägte den beinahe spartanisch und sportlich lebenden Musikarbeiter. Beim Tischtennisspielen hat den nichteinmal 50 Jährigen das Herz dann auch im Stich gelassen. Gewiss hat er auf jedenfall so viel Herz wie nur möglich in seine Kompositionen gelegt. Und „Leidenschaft” durfte auch nicht fehlen. Besonders seine Frauen und seine Tochter Anna Katharina, mit denen Wolfgang sein Leben teilte, werden ein Lied über Glück und Leid singen können.

Nicht nur in der Musik hat Wolfgang Großes geleistet. Zeit seines Lebens war er auch ein gesellschaftspolitisch agierender Mensch. Mit viel Engagement kämpfte er für eine gerechte und soziale Gesellschaft. Über Jahre war er eingeschriebener Kommunist. Das Thema Faschismus und Antifaschismus lag verborgen in der Familienchronik. Großvater August Kubizek war ein Freund Adolf Hitlers.

August Kubizek war drei Jahre mit Hitler befreundet, wobei die gemeinsame Liebe zu der Musik Richard Wagners als Bande zwischen den beiden diente. Laut Kubizeks Memoiren, (gemeint ist hier der Vater von Wolfgang. Anmerkung des Autors), gelang es dem jungen Hitler im Frühjahr 1908, Kubizeks Urgroßvater davon zu überzeugen, diesen am Konservatorium in Wien Musik studieren zu lassen. Zuvor hatte dieser starke Bedenken gegen die Überlegungen seines Sohnes gehabt, seine musikalischen Neigungen zum Beruf zu machen und es vorgezogen, diesen etwas Praktisches lernen zu lassen.

In Wien lebten Hitler und Kubizek einige Monate lang zusammen in einem Zimmer bei der Tschechin Zakreys, zur Untermiete. Während Kubizek im Herbst 1908 acht Wochen lang Militärdienst im österreichischen Heer leistete, zog Hitler aus dem gemeinsamen Zimmer aus, ohne eine Nachricht über seinen Verbleib zu hinterlassen.

Wolfgang Kubizek finalisierte die Familienchronik auf seine Art und Weise. Ein Kompositionsauftrag des Mauthausen Komitees Österreich für ein Oratorium, das am 5. Mai 2007 am Appellplatz des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen uraufgeführt wurde. Titel des Oratoriums: … und alle Totem starben friedlich …
Weniger „friedlich” ging Wolfgang R. Kubizek mit den Protagonisten der Macht und der Politik zu werke. Für ihn waren Humanismus, Gerechtigkeit, Solidarität und politisches Engagement Grundlagen seines Schaffens.

Als er 1987 den burgenländischen Kulturpreis der „Theodor Kery Stiftung” bei einem Festakt auf Burg Lockenhaus bekam, trat der Künstler von Schuh über Hose und T-Shirt in rot auf. Sein „roter” Protest hatte nicht nur den Grund, dass er damals als Kandidat in einem jungen KPÖ Team zur Landtagswahl antrat. Vielmehr protestierte er gegen die Automatik der künstlerischen Anerkennung. „Ich war genau drei Jahre im Burgenland beheimatet und deshalb hab ich den Preis erhalten. Wie ich meine Musik komponiere und unters Volk bringe, hat das offizielle Burgenland nichteinmal nix interessiert”, begründete Wolfgang damals die gewählte Protestform.

Ein Wirken für Humanismus, Gerechtigkeit und Toleranz

Wenn etwas mit uns Menschen Schlitten fährt, dann ist es die Liebe und der Tod, und die Musik. Das könnte als Kubizeks Lebensmotto durchgehen. Seine musikalische Aktivität war vielfältig und abwechslungsreich. Klassik, Jazz und Moderne selbst musizierend wie in der Gruppe „Ostpol”, bei „Paganinis Kinder” oder Solo mit Violine und E-Geige. Er komponierte für das „Vienna Art Orchester” und für das „Artis Quartett”. Seine Stücke waren bei Aufführungen in renomierten österreichischen und internationalen Konzertsälen zu hören.

Nicht nur als Mitarbeiter der Burgenländischen Volkshochschulen engagierte sich Wolfgang bis zu letzt für Humanismus, Gerechtigkeit und Toleranz. Er war eine der Säulen der Rechnitzer Flüchtlings- und Gedenkinitiarive RE.F.U.G.I.U.S. Die Kantate „atme österreich” zum Gedenkjahr 1938 – 2008 war sein letztes Werk.

OHO_KlavierWolfgang R. Kubizek

13. 1. 1959, – 7. 6. 2008

1959 geb. in Wels / O.Ö.
1975 – 76 Musikgymnasium Linz.
1976 – 80 Musikgymnasium Wien.
1969 – 80 Violinstudium Linz u Wien.
1975 1.Preis beim Wettbewerb ‚Jugend musiziert‘ (Komposition).
1981 Talentförderungsprämie des Landes Oberösterreich.
1982, 86 u. 90 Staatsstipendien des BMfUK.
1983 Arbeitsstipendium des Kulturamtes der Stadt Wien.
1984 Preis des workshop für junge Komponisten jazz/rock Kompositionsauftrag für das Vienna Art Orchestra.
1985 Österreichvertreter bei den Weltmusiktagen der ISCM in Amsterdam mit der Komposition Oktett für Jazzensemble.
1987 Förderungspreis der Burgenlandstiftung Theodor Kery.
1988 Deine Farben – electric violin solo – LP/ Tour.
1988 – 89 Titelfigur im Jazzmusical F.F.-Companie & Co von Peter Wagner, Christoph Cech und Christian Mühlbacher.
1990 RUSH… oder wer schenkt mir ein Orchester? – CD.
1991 Uraufführung der 4 Stationen für Orchester.
1992 Composer in residence beim Festival St. Gallen.
1993 Kulturpreis des Landes Burgenland.
1996 Uraufführung der Kammeroper Monolog mit einem Schatten – eine Wind-oper im Wiener Konzerthaus. Uraufführung der Sinfonie Die Engel von Los Angeles im Konzerthaus. Karl Maria und Wolfgang R. Kubizek und das Goldberg-Ensemble – CD.
1998 das ganz normale – Rassismus und Vorurteile, Oberwart.
1999 Ludo Hartmann – Preis für herausragende Arbeiten im Interesse der österreichischen Volksbildung.
2004 Kompositionsauftrag des Mauthausen Komitees Österreich für ein Oratorium, das am 5. Mai 2007 am Appellplatz des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen uraufgeführt wurde. Text: Vladimir Vertlib. Musikalische Leitung: Christoph Cech. …

Wolfgang R. Kubizek war Mitinitiator des Vereines Komponisten und Interpreten im Burgenland (KIBu). Mitbegründer des Janus-Ensemble Wien Seit 1999 Mitarbeiter der Burgenländischen Volkshochschulen
Wolfgang R. Kubizeks musikalische Arbeit umfasst rund 100 teils großangelegte Werke. Die posthume Uraufführung der Kantate atme österreich zum Gedenkjahr 1938-2008  fand am 8. November 2008 in Oberwart statt.

Am 31. August 2008 verstarb der Bruder von Wolfgang R. Kubizek, Karl Maria Kubizek, Lehrer Komponist und Musiker im Alter von 58 Jahren ebenfalls an Herzinfarkt.

 

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