An die enthusiasmierten Grün-Fans ■ Im Moment tobt in der linken Internetz-Blase eine erbitterte Auseinandersetzung, wie die Koalitionsverhandlungen zwischen Türkis und Grün zu bewerten sind.
Die einen sagen, das ist super, weil jedenfalls eine türkis-grüne Regierung besser wäre, als eine mögliche schwarz-blaue.
Von Karl Berger
Das ist ein nachvollziehbarer Standpunkt. Ja, in einigen Punkten wird wohl etwas Besseres herauskommen.
Österreich wird statt eines verbohrten faschistischen Innenminister wieder die alten ÖVP-Seilschaften im Innenministerium mit einem ihnen genehmen Minister haben.
Eine mögliche Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen wird wohl einige dringende Umwelt- und Klimaprobleme angehen. Eh sehr wichtig. Aber sonst?
Es wird weiter das Diktat der Industriellenvereinigung und des Wirtschaftbundes herrschen.
Industrie und Wirtschaft warten schon und erhoffen sich profitable grünen Geschäfte. Es wird eine im Ton moderatere in der Sache nicht wesentlich andere Ausländerpolitik herrschen. Sebastian Kurz hat mit der Übernahme der FPÖ-Standpunkte die FPÖ von ihrem Umfragehoch von 2016, 2017 halbiert, und viele ehemalige FPÖ-Fans zu Kurz-Wählern gemacht.
Nie und nimmer kann sich der noch Ex-Kanzler leisten, diese Wählerinnen und Wähler nachhaltig zu verärgern. Keine neuen Steuern, keine neue Schulden, aber wesentlich mehr (unbedingt notwendige) Investitionen in die Klimapolitik. Und das bei schwächelnder Konjunktur. Das wird nur mit einem radikalen Kahlschlag in der Sozialpolitik gehen. Rentenalter raufsetzen, Selbstbehalte und verminderte Leistungen im Gesundheitswesen, Entlassungswellen im öffentlichen Dienst, usw.
Entweder tragen das die Grünen mit, oder es wird keine Türkis-Grüne Regierung geben. Also: Türkis-Grün ist besser als Türkis-Blau. Aber dass das eine Regierung wird, die jeder und jede Linke bekämpfen muss, steht auch fest. Im übrigen genauso, wie eine etwaige Türkis-Rote. Ob die enthusiasmierten Grün-Fans soviel dialektisches Bewusstsein aufbringen? Wir werden sehen.