Eine Trendumkehr ist möglich

Bgld_Wahl

Wie werden Wahlen gewonnen ■ Zwei persönliche Analysen von zwei Burgenländer über den Wahlausgang im östlichsten Bundesland vom 26. Jänner 2020.

UHUDLA-Mitarbeiter Otto Bruckner und Rudolf Karazman über das Ergebnis eines überraschenden Urnengangs.

Der konservativen und kapitalistisch ausgerichteten österreichischen Politelite ins Stammbuch geschrieben

Otto Bruckner stammt aus dem sdüdburgenländischen Podler und stellt zum Wahlausgang die Frage:

Ist Hans Peter Doskozil der neue Bruno Kreisky oder der neue Theodor Kery

Antwort: Also, mit Theodor Kery hat er gemeinsam, dass er keine Berührungsängste zur Partei der alten Nazis hat. Theodor Kery hofierte einst faschistische Verbrecher wie Tobias Portschy, Hans P. Doskozil regierte mit seinen geistigen Nachfahren. Berührungsängste zu alten Nazis hatte aber Bruno Kreisky auch nicht. Im Gegenteil, seine erste Minderheitsregierung konnte nur durch die Unterstützung der FPÖ unter dem damaligen Obmann und ehemaligen SS-Offizier Friedrich Peter zustandekommen. So wie Doskozil jetzt bekam er 1971 die absolute WählerInnen-Mehrheit.
Doskozil ist also der Nachfahre der traditionellen Linie sowohl der burgenländischen wie der Bundes-SPÖ. Dass beides niemals seit 1945 mehrheitlich links war, ignorieren nur Schwärmer von der guten alten Zeit. Er ist aber auch in der Lage, ähnlich wie Bruno Kreisky und Theodor Kery, den „kleinen Leuten“ das Gefühl zu vermitteln, dass er „ihr“ Landeshauptmann ist.

Hans P. Doskozil spricht eine Sprache, die sie verstehen und er setzt Taten, die ihnen die richtigen Signale setzen, wie etwa die Einführung des Netto-Mindestlohnes von 1.700 Euro im Landesdienst.
Genauso wie in Österreich war die Arbeiterklasse auch im Burgenland niemals mehrheitlich sozialistisch eingestellt. Die SPÖ gründete und gründet ihren Erfolg darauf, dass sie ihnen politisch entgegengeht, früher und heute. Reaktionäre Ansichten sind so eingemeindet in eine Sozialdemokratie und dort kein Fremdkörper, es wird ihnen lediglich ein gelegentlicher Maulkorb verpasst.

Gegen die Roma zu hetzen, die Krowodn zu diskriminieren und dergleichen war immer Teil der Ansichten innerhalb der SPÖ-Burgenland. Die Partei hat ihren Mitgliedern aber beigebracht, dass dies nicht öffentlich gesagt werden darf. So sagte dann etwa der langjährige Sprecher der kroatischen Gemeindevertreter, der Sozialdemokrat Fritz Robak: „Mir san mas Deitsche!“
Auch heute spielt die SPÖ diesbezüglich ein kokettes Spiel. Natürlich begibt sich Landeshauptmann Doskozil nicht auf die Ebene rechter Hetzer. Im Gegenteil, er fordert Empathie ein für die kleinen Leute. Er gibt den Robin Hood und legt sich mit Immobilienhaien an, die von den Wiener Bobo-Grünen hofiert werden. Aber er lässt immer durchblicken, dass die 350 Kilometer lange Grenze des Burgenlandes dicht sein muss; dass Kriminalität von der anderen Seite der Grenze kommt; dass Heer und Polizei habt acht stehen müssen.
Besonders wirkt das natürlich, wenn das ein ehemaliger Spitzenpolizist sagt. Er spielt mit dem Klavier der Emotionen, und nicht immer der besten, wie es Theodor Kery und Bruno Kreisky vor ihm auch taten. Und er gewinnt Wahlen damit.
Seine Gegenspieler in der SPÖ kommen kaum aus der Wiener Innenstadt hinaus, wenn, dann noch höchstens nach Schwechat, um mit dem Flugzeug nach Brüssel oder Berlin oder Paris zu jetten. Transdanubien, Floridsdorf oder Simmering sind ihnen ebenso fremd, wie Eisenstadt oder Oberwart. Sie sind blassierte Besserwisser. Wer nicht gegendert schreibt, ist ein Sexist. Wer nicht alles multikulti gut findet, ist ein Rassist. Und wer sagt, es gibt kein drittes Geschlecht, gehört sowieso gleich eingesperrt. Sie sind unter sich und wollen es bleiben. Der Hackler ist für sie ein primitives, fremdes Wesen. Sie sind nicht links, sie sind arrogante und neoliberale VerfechterInnen der kapitalistischen Gesellschaft.
So in etwa sind die Verhältnisse in der SPÖ. Doskozil und Co. brauchen einen echten Gegner: eine marxistisch-leninistische Klassenpartei. Die Neoliberalen sind nicht die Freunde der Arbeiter, sie sind die Freunde des Kapitals!

Rudolf Karazman, der in Nikisch im Bezirk Oberpullendorf beheimatete über die Burgenland Wahl.

Erfolg der SPÖ ist ein Ergebnis von sozialen und demokratischern Entscheidungen

Ich freu mich sehr über den Wahlsieg der SPÖ und auch für den Erfolg der Grünen im Burgenland.
Hans Peter Doskozil hat am Ibiza-Tag die Koalition für beendet erklärt, ohne sich zu einer dramatischen Show gegen die FPÖ verführen zu lassen, weil er zwei Großprojekte in Vorbereitung hatte, Mindestlohn und Pflegereform. Beide Projekte sind genial und sehr wichtig und die wollte er nicht dem Tageseffekt zu Liebe opfern:

Die burgenländisch Wirtschaft hat wesentlich von der Grenzöffnung profitiert, indem sie billige Arbeitsmenschen aus Ungarn eingesetzt hat, seit 1990. Die Löhne bei uns im Osten Österreichs waren eh schon immer unter jeder Kritik, daher die vielen Pendler.

Aber die Ungarn arbeiteten auch um die Hälfte. Das hat auch die Löhne und Gehälter der Burgenländer gedrückt. Jetzt endlich geht die öffentliche Verwaltung mit einem guten Mindestlohn voran! Wer wenn nicht der Landesdienst, die öffentlichen Dienste, sollten soziale Vorreiter sein und die besten Leute in den öffentlichen Dienst holen. Das stärkt Qualität und Zusammenhalt und Demokratie.

Und diese Pflegereform ist genial, denn erstens ermöglicht es den Betroffenen ein nachhaltiges Zuhause, was sie oft einem Seniorenheim gegenüber bevorzugen. Für die Angehörigen ist eine Ausbildung ein Sinnpotential, vielleicht machen ja viele noch mehr draus bzw. stehen nach dem Ableben der ihren zur Verfügung im Dorf für andere. Und es gibt ein Einkommen, denn in der Regel sind das die Frauen, die kostenlos die Hauspflege machen und dabei auch keine Pensionsquote erhalten.

Beide Maßnahmen sind strategisch wichtig und lassen Sozial-Demokratie spüren, eine Abkehr von dem neoliberalen Kaputt-Sparen der öffentlichen Bereiche. Da wird in der SPÖ immer diskutiert, wie die SPÖ sich neu aufstellen soll und dann kommen immer so Super-Ideen wie Internet usw.
Fazit: Politik durch soziale und zukunftswichtige Entscheidungen machen.

Otto Bruckner, Jahrgang 1962 stammt aus der zweisprachigen südburgenländischen Ortschaft Podler. In den 1980er Jahren war er in dieser Region in der Sozialistischen Jugend un bei den jungen GewerkschafterInnen Aktivist. Nach mehreren Jugend- Gewerkschafts- und Parteiengagementen wurde er am Wiener Gründungsparteitag von 2013 zum gewählten Vorsitzenden der Partei der Arbeit PdA. Diese Funktion übte er bis 2019 im Dezember aus.

Prof. Dr. Rudolf Karazman
ist Facharzt für Psychiatrie & Neurologie, Psychotherapeut, Arzt für Arbeitsmedizin und IBG-Gründer. Er ist Jahrgang 1955, entstammt einer burgenländisch-kroatischen Bauernfamilie aus Nikitsch, schrieb mehrere Bücher. Der vielseitige Wissenschafter hat ein Faible für Musik. Er spielte in den Anfangsjahren der „Drahdiwaberl” bei Kapellmeister Stefan Weber Saxophon und der Politkult-Band „Bolschoi Beat”.

Kommentar verfassen